Das abc Südwest hat einen interessanten Artikel zu Drohneneinsätzen in der BRD veröffentlicht:
Drohneneinsätze gegen Widerständige – Informationen und Call for texts
Dass
bei linken Aktionen wie Demos oder Räumungen von Blockaden und
Besetzungen auf viele Weisen versucht wird, die Teilnehmenden z.B.
mit großen Polizeiaufgeboten, Zivibullen, Wasserwerfern oder Kameras
zu drangsalieren, überwachen und unterlaufen, ist leider nichts
Neues.
Auch
Helikopter sind für die Polizei eine hilfreiche Möglichkeit, sich
Übersicht über große Menschenmengen und Gelände zu verschaffen
und Menschen zu verfolgen. Helikopter sind aber groß, teuer in
Anschaffung und Wartung, laut und im Einsatz extrem kostspielig
(durchschnittlich bei ca. 5.000€ pro Einsatzstunde1).
So ist es für die Polizei ein logischer Schritt, die bereits heute
vielseitigen technischen Fähigkeiten von Drohnen, eigenständig
fliegenden oder ferngesteuerten Luftfahrzeugens ohne
Personenbesatzung, zu nutzen. Diese sind nicht nur billiger, mobiler
und unauffälliger, sie bringen auch komplett neue technische
Möglichkeiten mit sich.
In
den vergangenen Jahren konnten mehrere Einsätze von Drohnen gegen
linke Veranstaltungen und Projekte dokumentiert werden, die sich
immer mehr häufen:
– G20
Gipfel in Hamburg Juli 2017 2
– Antifa
Demo Sindelfingen (BW) Frühjahr 20183
– Demonstration
Junge Alternative und Gegendemo Stuttgart-Feuerbach 12. Mai 2018:
“Am 12. Mai 2018 war […]
ein ULS des Polizeipräsidiums [im] Einsatz anlässlich einer
Kundgebung in Stuttgart- Feuerbach zur Unterstützung des
Raumschutzes eingesetzt.”4
– Hambacher
Forst Silvester 20185
– Hausbesetzung
Klarastr. 17 Anfang März und Räumung Mozartstr. 3 in Freiburg am
07.03.20196
– Auch
z.B. in der Schweiz schon seit Jahren im Einsatz, vor gut fünf
Jahren schon bei 1. Mai Demo in Zürich7
Die
Polizeien in Deutschland haben schon seit längerem Drohnen im
Einsatz8
und seit 2015, spätestens 2017 nach G20 bundesweit begonnen,
flächendeckend Drohnen einzukaufen und einsatzbereit zu machen. Dazu
exemplarisch einige Presseberichte und parlamentarische Dokumente:
1) Baden-Württemberg
April 20189:
“Die
baden-württembergische Polizei testet seit April den Einsatz von
Drohnen. Bis Ende Mai seien die Geräte 13 Mal genutzt worden, teilte
ein Sprecher des Innenministeriums in Stuttgart auf Anfrage der
Deutschen Presse-Agentur mit. […] Die Drohnen würden etwa zur
Beobachtung von Fußballspielen und Kundgebungen, bei
Verkehrsunfällen und der Suche nach Menschen genutzt.”
2) Bayern
201710:
„Seit
2015 verfügt die Bayerische Polizei über unterschiedliche
‘Multicoptersysteme’. Sie wurden zum Teil bereits beim G7-Gipfel in
Elmau vorgehalten. Derzeit setzt bereits das Bayerische
Landeskriminalamt erfolgreich auf Drohnen, beispielsweise zur Ortung
von Handysignalen bei der Vermisstensuche. Zudem verfügen die
Spezialeinheiten der Bayerischen Polizei zur Einsatzunterstützung
über ein ‘Multicoptersystem’ mit installierter Kameratechnik.”
3) Baden-Württemberg11:
“Wann
immer die Fluggeräte zuletzt im Einsatz waren, wurden sie von
speziell ausgebildeten Beamten des Polizeipräsidiums Einsatz
gesteuert. Sie begannen im Jahr 2017 mit den ersten Testflügen. Seit
Mitte April 2018 unterstützen die sogenannten Luftfahrzeugfernführer
mit ihren Drohnen ihre Kollegen am Boden auch bei den kniffligeren
Einsatzlagen, etwa bei parallel stattfindenden Demos. Landesweit gab
es laut Innenministerium im vergangenen Jahr fast 100 Drohneneinsätze
der Polizei. Die Erprobungsphase endet voraussichtlich im Sommer
dieses Jahres. Bis dahin sollen neben dem Polizeipräsidium Einsatz
nun auch die Polizeipräsidien Stuttgart, Aalen und Freiburg
Erfahrungen sammeln. Seit Dezember 2018 haben sie eigene Geräte und
Drohnenspezialisten unter den Kollegen.”
4) Saarbrücken
Mai 201912:
„Am
16. Mai führte die Bundespolizeiinspektion […] eine weiträumige
Fahndung im Grenzraum zu Frankreich und Luxemburg durch, wobei der
Schwerpunkt auf der Bekämpfung der Schleusungskriminalität,
insbesondere der Schleusung mit Lastkraftwagen lag. Hierbei setzte
die Bundespolizei erstmals auch eine Drohne ein, um frühzeitig
Ausweichbewegungen aufzuklären, das Wegwerfen von Ausweisdokumenten
vor der Kontrollstelle frühzeitig zu erkennen und Lastkraftwagen
auch rasch von oben kontrollieren zu können.“
Die
Bundeswehr besitzt bereits seit einiger Zeit ein größeres Arsenal
an Drohnen und setzt diese auch ein. Auch wenn der Einsatz der
Bundeswehr im Inneren zum Glück bislang eher eine Randerscheinung
ist, können wir uns darauf nicht verlassen. Vorkommnisse wie der
Einsatz von Tornado-Kampfflugzeugen zur Überwachung und
Einschüchterung des G8-Protestcamps in Heiligendamm 200713
haben gezeigt, dass wir damit rechnen müssen, dass die dem Militär
zur Verfügung stehenden Mittel auch gegen uns verwendet werden.
Laut
einer uns vorliegenden Antwort der Bundesministerin der Verteidigung
auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag vom 18. bzw. 20.
Februar 2019 auf eine parlamentarische Anfrage verfügt die
Bundeswehr derzeit über mehr als 350 Drohnen, die in Größe von
handtellergroß bis Flugzeuggröße reichen. Diese Drohnen sind über
ganz Deutschland verteilt stationiert (und an einigen Stützpunkten
im Ausland).
Mit
Drohnen stehen der Polizei neue Möglichkeiten zur Verfügung, um,
kaum sicht- und hörbar, Strukturen und Bewegungen im Gelände und
bedingt auch in Städten zu beobachten und dokumentieren. Drohnen
bieten eine viel flächendeckendere und häufiger anwendbare
Überwachungsmöglichkeit als Helikopter, da sie im Gegensatz zu
Helikoptern deutlich billiger sind und in viel größerer Zahl
angeschafft und betrieben werden können. Technische Möglichkeiten
zur Verfolgung bei Nacht sind weiter ausgebaut und sie bieten in
Kombination mit intelligenter Videoüberwachung, wie sie derzeit
unter anderem am Berliner Südkreuz und in der Mannheimer Innenstadt
getestet werden, die potenzielle Möglichkeit automatisierter
Erkennung “abweichenden” Verhaltens oder die Verfolgung
einzelner Menschen anhand biometrischer Erkennungsmuster.
Während
häufige oder langwierige Helikoptereinsätze zu viel Unmut bei den
Anwohner_innen der Betroffenen Gegenden sorgen, wie in letzter Zeit
im Berliner Nordkiez oder im Leipziger Connewitz, können
Observationen mit Drohnen praktisch unbemerkt und ohne Beschwerden
der Nachbar_innen stattfinden.
Im
Kontext zunehmender Aufrüstung, Militarisierung und
Befugniserweiterungen im Rahmen der autoritären Offensive z.B. durch
die neuen Polizeigesetze braucht es dringend eine Auseinandersetzung
mit dem Thema. Wenn die Polizei aufrüstet und zunehmend Mittel zur
Verfügung hat, gegen die wir bislang keine Verteidigungsstrategien
entwickelt haben, bringt dies enorme Vorteile für unsere
Verfolger_innen mit sich. Das können wir uns schlicht nicht leisten.
Wo vielleicht andere oder zusätzliche Maßnahmen zu Vermummung und
Wechselkleidung gefragt sind, sowie Strategien zum Umgang mit
gezielter Verfolgung (biometrische Daten können auch bei Vermummten
erhebbar sein) und Wärmekameras, müssen Strategien zu Selbstschutz
und Sicherheit angepasst werden.
Wir,
einige Menschen involviert in antiautoritären Kämpfen, möchten uns
mit dem Thema intensiver beschäftigen und eine Broschüre
erarbeiten, die Informationen bietet und Bezugsgruppen helfen soll,
sich auf Aktionen mit (möglichen) Drohneneinsätzen vorzubereiten.
Wir fragen uns: Wie kann sich auf den Einsatz von Drohnen bei
politischen (Groß-) Veranstaltungen vorbereitet und wie Drohnen
erkannt werden? Wie können wir uns schützen und
Drohnen(infrastruktur) angreifen?
Wenn
ihr von Drohnen-Einsätzen erfahren, eigene Strategien zum Umgang
entwickelt habt oder gute Literatur zum Thema kennt, schreibt uns
verschlüsselt und anonym unter abcsuedwest@riseup.net.
Insbesondere
würden uns interessieren:
– Technische
Möglichkeiten der Drohnenüberwachung,
–
Ausrüstung verschiedener Stellen/Länder,
–
Erfahrungen mit bisherigen Einsätzen,
–
Theoretische Einbettung in Überwachungskritik und unsere
Verteidigung gegen den technologischen Angriff,
– Umgänge
mit und Bekämpfung von Drohnen,
–
…
Wenn
der Staat uns beobachtet, stechen wir ihm die Augen aus!
1[Jeweils
empfiehlt sich, die Links im Artikel mit dem Tor Browser aufzurufen]
Siehe exemplarisch
https://www.rechnungshof.baden-wuerttemberg.de/de/veroeffentlichungen/denkschriften/254912/254957.html
und
https://www.mdr.de/nachrichten/vermischtes/einsatzkosten-fuer-hubschrauber-gestiegen-100.html
2https://netzpolitik.org/2017/drohnen-und-drohnenabwehr-beim-g20-gipfel/
3https://abcsuedwest.noblogs.org/de/post/2018/06/12/chronik-der-repression-und-solidaritaet/
4Kleine
Anfrage BW Drohnen der Polizei:
https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/4000/16_4128_D.pdf
5https://de.indymedia.org/node/34392
6ebd.
7siehe
AntiRep Bern (2014): In Bewegung, Unrast Verlag
8https://www.imi-online.de/2015/07/24/ueberblick-drohnen-im-polizeieinsatz-in-deutschland/
9https://www.welt.de/regionales/baden-wuerttemberg/article178103004/Polizei-testet-Einsatz-von-Drohnen.html,
siehe auch
https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/4000/16_4433_D.pdf
10http://www.stmi.bayern.de/med/aktuell/archiv/2017/171120drohnen/
11https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.pilotbetrieb-laeuft-bislang-erfolgreich-polizei-im-land-setzt-verstaerkt-auf-drohnen.1a6e0305-80ce-43da-8fcd-41a38d158637.html
12http://lokalo.de/artikel/173467/kampf-gegen-schleuser-bundespolizei-setzt-erstmals-drohne-bei-kontrollen-ein/
13https://taz.de/Kampffliegereinsatz-in-Heiligendamm/!5455805/