Ausgefeilte Knastökonomie

JVA Hünfelderschienen am 15. Juli 2013 in der Tageszeitung junge Welt.

Nach Mauscheleien ging 2005 die hessische Justizvollzugsanstalt Hünfeld als »Public Private Partnership«-Projekt in Betrieb. 2012 wurde ihre Rückverstaatlichung gefordert, die CDU-FDP-Landesregierung schloß Januar 2013 aber einen neuen Vertrag
Von Werner Rügemer

Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Hünfeld im Kreis Fulda ist das früheste »Public Private Partnership«-Projekt dieser Art in Deutschland. Privatisierte und teilprivatisierte Gefängnisse gab es bis dahin nur in den USA und Großbritannien. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) lobte bei der Einweihung am 7. Dezember 2005: »Ab sofort steht dem hessischen Strafvollzug in Hünfeld eine der modernsten, wirtschaftlichsten und sichersten Justizvollzugsanstalten Deutschlands zur Verfügung.« Sein Justizminister Christean Wagner (CDU) pries die JVA Hünfeld als »Leuchtturmprojekt«, das über Deutschland und die EU bis nach Japan ausstrahle.

Die Privatisierungsfundamentalisten aus CDU und FDP bildeten 1999 unter Koch die hessische Landesregierung. Die beiden Parteien wollten, daß die Bürger mehr »Eigenverantwortung« übernehmen. Im Klartext: Die Bürger sollen mehr zahlen – direkt über Gebühren und Rechnungen, indirekt über Steuern.

So führte die Landesregierung für Studenten die Studiengebühren ein. Sie verkaufte das Universitätsklinikum Marburg-Gießen an die private Krankenhauskette Rhön-Klinikum AG. Beim Neubau der JVA hätten beide Parteien am liebsten die Vollprivatisierung à la Washington durchgeführt. Bekanntlich orientierte sich Koch in anderer Hinsicht an rüden US-Vorbildern, so an der rigoros durchgesetzten Zwangsarbeit für Arbeitslose, verbunden mit hartem Strafvollzug (»Wisconsin-Modell«).

Die Landesregierung setzte im Sommer 1999 eigens die Arbeitsgruppe »Modellprojekte zur Privatisierung im Strafvollzug« ein. Es sollte also nicht nur um eine neue JVA gehen, sondern um mehr. Der Rechtausschuß des Landtags reiste eigens nach Großbritannien, um das dort nach dem Muster von Public Private Partnership (PPP) privatisierte Gefängnis Doncaster zu besichtigen.

Im Januar 2000 berichtete die Arbeitsgruppe: Vollprivatisierung ist in Deutschland verfassungsrechtlich leider nicht möglich, machbar sei nur eine Teilprivatisierung, und zwar nach Art der PPP. Das bedeutet: Die öffentliche Hand vergibt für einen längeren Zeitraum Planung, Bau, Finanzierung und Betrieb eines Gebäudekomplexes – Schule, Feuerwache, Justizzentrum, Polizeipräsidium, Rathaus, Sportanlage, Gefängnis – an einen privaten Investor und zahlt dem solange eine Miete. Die Befürworter behaupten bekanntlich seit Kanzler Gerhard Schröders (SPD) Zeiten, der das Muster seines damaligen sozialdemokratischen Amtskollegen Tony Blair aus Großbritannien abgekupfert hatte: PPP sei für Staat und Kommunen finanziell und im Service wesentlich günstiger und diene zudem der Haushaltssanierung.

Das Versprechen: 15 Prozent Vorteil

Deshalb bereitete die hessische Landesregierung die Teilvergabe der nicht hoheitlichen und nicht sicherheitsrelevanten Aufgaben vor. Der Investor sollte folgendes übernehmen: Reinigung, Wartung, Instandhaltung der Gebäude und technischen Anlagen, Videoüberwachung, Verpflegung der Gefangenen, Stellung des Anstaltsarztes und des Pflegepersonals in der Krankenstation, psychosoziale Beratung, Betrieb der Werkstätten für Aufträge von Unternehmen, schulische und berufliche Bildung der Gefangenen, Sport- und Freizeitangebote sowie kaufmännische und sonstige Verwaltungstätigkeiten. Das macht zusammen etwa 45 Prozent der in einer JVA notwendigen Arbeiten aus. Staatsbedienstete sollten dort weiter tätig sein, wo es um »Eingriffsbefugnisse« gegenüber den Häftlingen geht: bei Aufnahme und Entlassung, Vollzugsplanung, Lockerungsentscheidungen, Disziplinarmaßnahmen, Kontrolle der Außenkontakte und der gesamten Organisationshoheit.

2002 schloß das Justizministerium einen Generalplanvertrag mit dem Architekturbüro »frick krüger nusser plan2«. Dem folgte 2003 die getrennte Ausschreibung für Bau und Betrieb. Mit der Errichtung des neuen Gefängnisses wurde allerdings – abweichend vom PPP-Standard – ganz herkömmlich das Bauunternehmen Züblin beauftragt, und das klappte auch. Nach anderthalb Jahren war der Komplex mit 502 Haftplätzen und den dazugehörigen Trakten für Verwaltung, Versorgung und Werkstätten fertig.

Dann kam das Herzstück, die Teilprivatisierung des Betriebs. Um alles richtig zu machen, engagierten Koch und Wagner zwei private Berater, eine ungenannte Anwaltskanzlei und das Ingenieursbüro Alfen Consult. Das Büro gehört Professor Wilhelm Alfen, dem deutschen PPP-Guru, der neben seinem staatlich alimentierten Lehrstuhl an der Universität Weimar sich als Nebenverdienstquelle noch das private Ingenieur­büro gönnt. Von dieser Art PPP-Professoren, die aus ihrem staatlichen Beamtenstatus heraus den Staats aushöhlen, gibt es inzwischen eine ganze Menge.

Der Hessische Rechnungshof erstellte einen Kriterienkatalog, wonach die Kosten für einen herkömmlichen staatlichen Gefängnisbetrieb auf längere Sicht genau errechnet werden. Es mußte ja eine Grundlage geben, um die nach der Ausschreibung eintreffenden PPP-Angebote vergleichen zu können.

Die Landesregierung änderte jedoch mit Hilfe von Alfen Consult ohne Begründung den Kriterienkatalog. Ergebnis: Das Angebot des privaten Betreibers ergebe gegenüber einem voll öffentlichen Betrieb einen Kostenvorteil von 15 Prozent, also jährlich 750000 Euro. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von fünf Jahren, die um zwei Jahre verlängert werden konnte. Danach mußte neu ausgeschrieben werden.

So beauftragte die Landesregierung die Serco GmbH. Die versprach, den errechneten Vorteil zu realisieren. Sie war die deutsche Tochtergesellschaft der englischen Serco Group. Sie warb damit, daß man in Großbritannien außer zahlreichen anderen PPP-Projekten auch mehrere Haftanstalten mit 3000 Gefangenen nach diesem Prinzip betreibe. Daneben ist das Unternehmen in zahlreichen Staaten tätig in den öffentlichen Bereichen Justiz, Sicherheit, Schulen und Hochschulen, Gesundheit, Verkehr, Luft- und Raumfahrt sowie für das Militär. Über das günstige Angebot hinaus pielte dieser Hintergrund eines »renommierten« Weltunternehmens eine Rolle bei der Auftragsvergabe, nach dem Motto: Ein multinationaler Konzern ist seriös und kann nichts falsch machen.

Für das »Hünfelder Modell« warben die Befürworter nicht nur mit dem behaupteten Kostenvorteil. »Durch die Übernahme von 45 Prozent der Betriebsleistungen durch Serco werden signifikante Qualitätsverbesserungen erreicht. So wird beispielsweise die Beschäftigungsquote der Gefangenen deutlich gesteigert.« Das sollte auch der Region mehrfache Vorteile bringen. 90 Prozent der Serco-Mitarbeiter sollten dort rekrutiert werden. Einen Großteil der Versorgungsleistungen wie Wasser, Strom und Lebensmittel beziehe die JVA von regionalen Anbietern. Zum 1. Januar 2006 begann der teilprivatisierte Betrieb. 2011 wurde, wie geplant, der Vertrag mit Serco um zwei Jahre verlängert.

Der Rechnungshof moniert

2012, vor der Neuausschreibung der privaten Dienstleistungen, untersuchte der Hessische Rechnungshof die Auftragsvergabe von 2003 und die seitherigen Erfahrungen. Die Ergebnisse waren verhalten formuliert, aber vernichtend.

So wurde erstens festgestellt, daß die Vergleichsbasis zugunsten von PPP verändert worden war. Noch während der Ausschreibung 2003 und nach dem Eingang der Angebote änderte die Landesregierung die Kriterien des Rechnungshofs mehrere Male, und zwar ohne Begründung. Zudem wurden die Änderungen nicht ausreichend dokumentiert.

So »errechneten« die Ministerialbeamten wunschgemäß, daß die Einnahmen des Gefängnisses im staatlichen Vollbetrieb um 58 Prozent niedriger ausfallen würden. Man ging davon aus, daß der private Investor für die Werkstätten sehr viel mehr Aufträge von Unternehmen hereinholen könne. Auf diese Art und Weise wurden die Einnahmen nach dem PPP-Modell deutlich höher geschätzt. »Die Kosten des Eigenbewirtschaftungsmodells wurden nach der Angebotsauswertung um mindestens 15 Prozent erhöht. Durch diese Änderungen ergab sich ein Wirtschaftlichkeitsvorteil für die Teilprivatisierung.«

Zweiter großer Kritikpunkt der staatlichen Finanzkontrolle waren die verleugneten Transaktionskosten. Der Rechnungshof ging damit auf eine typische Manipulation bei den PPP-Wirtschaftlichkeitsvergleichen ein. Auch im Fall Hünfeld wurde sie praktiziert: Für die genannten Berater und durch den Wirtschaftlichkeitsvergleich selbst entstanden Kosten für Honorare. Gleichzeitig hatte das Ministerium wegen des aufwendigen PPP-Verfahrens zusätzliche Aufwendungen für das Personal, und zwar vor und nach der Vertragsunterzeichnung. Aufgrund des vielhundertseitigen und hochkomplizierten Vertragswerks mußte die öffentliche Hand weitere teure Berater engagieren: »Insbesondere die Kosten für die rechtliche Vertragsauslegung, bei Vertragsstreitigkeiten und bei Vertragsänderungen nach der Vergabeentscheidung waren vorhersehbar und hätten bei der Privatisierungsentscheidung berücksichtigt werden müssen.«

Alle diese – bei PPP typischerweise auftauchenden – Kosten wurden aber im Wirtschaftlichkeitsvergleich für die JVA Hünfeld einfach nicht berücksichtigt. Leider nannte der Rechnungshof nicht die Höhe dieser Zusatzkosten.

Drittens monierte der Rechnungshof die wechselnde Auslastung. Er stellte fest, daß Ministerium und private Berater ein weiteres Risiko der PPP-Variante unter den Teppich gekehrt hatten. Sie hatten die geschätzten Einnahmen des Investors aus den Aufträgen für die Werkstätten als sicher zugrunde gelegt. Daß sich aber die Zahl der Häftlinge ändern kann und die Auslastung jeder JVA Schwankungen unterworfen ist, das hätte mit einem Blick auf die Belegungsstatistiken anderer Haftanstalten erfaßt werden können. Ebenfalls erwiesen sich die Versprechen des Investors über die zahlreichen Auftragsarbeiten als illusorisch.

Der vierte Punkt der Kontrollbehörde betrifft die Datenmanipulation. Das Berichtswesen war unvollständig und voller Fehler. Über die Leistungen in den Bereichen Fort- und Weiterbildung, Küche und Reinigung wurde gar nichts berichtet. »Bei der steuerungsrelevanten Kennzahl ›Beschäftigungsquote‹ wurden auch Gefangene als beschäftigt gezählt, die mangels Arbeit nicht eingesetzt waren.« Der Investor rechnete Krankenpfleger für Zeiten ab, in denen die Gefangenen aufgrund der Einschlußzeiten gar nicht zum Krankenpflegedienst kommen konnten. Betrug gehörte beim Investor und der Landesregierung offensichtlich dazu.

Keine Qualitätsverbesserung

Die Landesregierung wollte ihr »Leuchtturmprojekt« mit allen Mitteln durchpauken. Neben den genannten finanziellen und Verfahrensmanipulationen verschaffte sie der JHV Hünfeld weitere Vorteile. Das Gefängnis ist nur für handverlesene Häftlinge vorgesehen, die mit vergleichsweise geringem Aufwand zu beaufsichtigen und zu betreuen sind. Es handelt sich um Erstverbüßer mit einer Vollzugsdauer zwischen 24 und 60 Monaten. Gegen die Häftlinge wurden keine Strafen wegen grober Gewalttätigkeiten oder Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verhängt. Es werden keine Häftlinge aufgenommen, die Freiheitsstrafen wegen Sexual- und Tötungsdelikten verbüßen oder wegen solcher vorbestraft sind.

Als weitere günstige Bedingung suchte die Landesregierung als Standort eine Stadt aus, die einen CDU-Bürgermeister, Dr. Eberhard Fennel, hatte. Er war in die politische Grundsatzentscheidung der CDU-FDP-Landesregierung eingebunden, daß PPP die beste Lösung sei. Ein Standort in der ländlichen Region sollte weitere Vorteile bieten. Hier gibt es einen erhöhten Bedarf an Arbeitsplätze und werden deshalb niedrige Löhne noch leichter akzeptiert. Hier konnte das Versprechen, daß ein privater Investor Mitarbeiter aus der Region heranhole, noch leichter verfangen. Außerdem sollte, wie schon erwähnt, durch die Abnahme von Strom, Nahrungsmitteln und Handwerksdienstleistungen die regionale Wirtschaft gefördert werden. Diese Argumente stechen aber nicht. Auch eine rein staatliche JVA, in derselben Region errichtet, schafft Arbeitsplätze. Auch ein staatliches JVA bezieht Wasser, Strom und Lebensmittel von regionalen Anbietern.

Es stellte sich heraus, daß die Personalfluktuation beim privaten Betreiber aufgrund der niedrigen Einkommen und der prekären Arbeitsbedingungen sehr hoch ist. Die Aufgaben konnten nur sehr mangelhaft erledigt werden. Die versprochene Qualitätsverbesserung trat nicht ein, im Gegenteil: Die Qualität sank.

Der Investor hatte versprochen, die Beschäftigungsquote der Häftlinge in den Werkstätten zu erhöhen. Doch die dafür nötigen Aufträge von außerhalb des Gefängnisses konnte Serco nicht hereinholen. So waren im Jahre 2010 durchschnittlich 70 Gefangene weniger in den Werkstätten eingesetzt als vertraglich vereinbart.

Der Bund der Strafvollzugsbeamten Deutschlands (BSBD) verlangte deshalb vor der Neuvergabe des Vertrags im Jahre 2012 die Rückverstaatlichung des Betriebs. Das sei auch sozialverträglich möglich. »Die Serco-Mitarbeiter könnten als Beschäftigte in den hessischen Staatsdienst übernommen werden. Dann würden diese Menschen auch angemessen bezahlt und aufgabenangemessen geschult werden können.«

Der CDU-Bürgermeister von Hünfeld hatte vor einer Rückverstaatlichung gewarnt, denn dadurch würden die Arbeitsplätze der Serco-Mitarbeiter gefährdet. Dagegen erklärte der BSBD: »Einem Bürgermeister vor Ort sollte daran gelegen sein, daß seine Bürger ordentlich bezahlt werden, statt mit Transferleistungen aus der Gemeindekasse Großkonzerne zu subventionieren.«

Der neue Investor ist der alte

2012 mußte der Vertrag für die privaten Dienstleistungen neu ausgeschrieben werden. Es hätte nicht gut ausgesehen, wenn Serco zum dritten Mal den Zuschlag bekommen hätte. Dieses Problem wurde mehr oder weniger »elegant« dadurch umgangen, daß sich Serco Deutschland vom englischen Mutterunternehmen rechtlich trennte und seitdem mit gleichem Personal als Steep GmbH weitermacht. Die Berater der Kölner Großkanzlei Görg und der Alfen Consult machten im Auftrag der Landesregierung dieses Verfahren juristisch und kalkulatorisch passend. Auch hier könnte man von Betrug sprechen, aber Konzernjuristen nennen das eine »rechtliche Gestaltung«.

So folgte auf die Serco GmbH die Steep GmbH. Die Laufzeit des Vertrags, der zum 1. Januar 2013 in Kraft trat, beträgt diesmal sechs Jahre und kann einmal um drei Jahre verlängert werden. Erneut versprachen die Vertragspartner einen ähnlichen Kostenvorteil wie beim ersten Mal, etwa 700000 Euro jährlich. Die neue Landesregierung unter dem Koch-Nachfolger Volker Bouffier (CDU) behauptet, daß die Kritik des Rechnungshofes bei der neuen Auftragsvergabe vollständig »berücksichtigt« worden sei. Wie es wirklich ist, kann öffentlich nicht beurteilt werden. Der Vertrag ist auch hier wie überall bei PPP-Projekten geheim.

Der Rechnungshof hat sich mit der neuen Auftragsvergabe nicht befaßt. Direktor Prof. Dr. Karl Heinrich Schäfer gestand 2012 ein, daß seine Behörde die neue Vergabe nicht geprüft habe. Man habe sich darauf verlassen, daß das Wiesbadener Kabinett alle Kritikpunkte aus der ersten Vergabe berücksichtigt. Ob die Landesregierung dem Rechnungshof einen Maulkorb verpaßt hat? Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) hantierte mit der mehr oder weniger durchsichtigen Differenzierung, der Rechnungshof habe sowieso keine »Fehler« benannt, sondern nur einiges als »nicht nachvollziehbar« bezeichnet.

Gescheiterte JVA-Projekte

Das erste deutsche PPP-Projekt im Bereich Gefängnisse, die JVA Hünfeld, sollte ein »Leuchtturmprojekt« werden. Es wurde wunschgemäß in den Medien auch außerhalb Hessens – FAZ, Handelsblatt und Welt vorneweg – als bundesweites Modell angepriesen. Tatsächlich waren einige Landesregierungen diesem Vorbild gefolgt. Auch bei diesen Unternehmungen zeigten sich ähnlich desaströse Ergebnisse. Einige wurden gestoppt oder aufgegeben, andere werden wie bisher in Hessen verbissen fortgeführt.

Die baden-württembergische Landesregierung aus SPD und Grünen will die Teilprivatisierung der erst 2009 eröffneten JVA Offenburg beenden. Das PPP-Verfahren soll bis 2014 vollständig in die öffentliche Hand zurückgeführt werden. Man war zu der Einsicht gekommen, daß neben den Mehrkosten der PPP-Variante die Sicherheit und die ordentliche Betreuung der Häftlinge durch die schnell angelernten Billiglöhner des privaten Investors bzw. seines Subunternehmers nicht gewährleistet sei.

Die Landesregierung von Bayern gab nach jahrelangen Auseinandersetzungen den Plan auf, die JVA Gablingen bei Augsburg nach dem PPP-Modell teilweise zu privatisieren. Der Haushaltsausschuß des Landtags stoppte das Projekt schließlich wegen »Unwirtschaftlichkeit«.

Bei der JVA Burg in Sachsen-Anhalt versprach der Investor im Vertrag mit der Landesregierung einen »Effizienzvorteil« von 12,5 Prozent. Investor ist der Baukonzern Bilfinger. Der Landesrechnungshof stellte 2012 fest: Neben der im Landeshaushalt ausgewiesenen PPP-Miete leistet das Land verdeckte Zahlungen in Höhe von jährlich 2,2 Millionen Euro. Und die Verträge für die Dienstleistungen des Investors sind unabhängig von der Auslastung des Gefängnisses. Das Bauunternehmen erhält also die volle Miete, auch wenn wie bisher die Haftplätze im Durchschnitt nur zu 80 Prozent belegt sind. Was der Rechnungshof nicht anmerkte: Bilfinger – Vorstandschef ist der hessische Exministerpräsident Roland Koch – hat die Ansprüche aus dem Vertrag an Investoren in London verkauft. Die CDU-geführte Landesregierung hält allerdings an der Kooperation fest. Auch die Investoren schweigen verbissen.

Koch wechselt zu Bilfinger

Im Mai 2010 gab Roland Koch seinen Rücktritt als hessischer Ministerpräsident bekannt. Er hatte keine Lust mehr. Alle seine Leuchttürme waren ins Wanken geraten oder fielen gar in sich zusammen. Während er noch geschäftsführender Ministerpräsident war, schaffte der hessische Landtag die Studiengebühren wieder ab, und das auch noch als erstes Bundesland! Gegen die Privatisierung der Unikliniken Marburg-Gießen protestierten Ärzte und Professoren. Das Bundesland mußte der Rhön-Klinikumskette sogar Geld zuschießen, sonst wären die Krankenhäuser ganz marode geworden; und der Investor, eigentlich für Koch eine Heilsfigur, mußte eine Millionenstrafe wegen Nichteinhaltung vertraglicher Verpflichtungen zahlen. Und schließlich zerpflückte der Rechnungshof des eigenen Bundeslandes die Kalkulation und Vertragsgestaltung der JVA Hünfeld in der Luft.

Da blieb nur noch eine Lösung – der Privatisierungsfundamentalist ging dorthin, wo das Leben für einen solchen Politiker noch Spaß macht: in einen richtigen kapitalistischen Konzern, zu Bilfinger. Der war dem Exministerpräsidenten wegen Aufträgen am Flughafen Frankfurt am Main her gut bekannt und, nicht zuletzt, war Bilfinger Marktführer bei PPP-Projekten. Die Schamfrist für Koch war unüblich kurz: Schon im Oktober 2010 gab Bilfinger bekannt, daß der ehemalige, hochgeschätzte Ministerpräsident ab 1. März 2011 Mitglied des Konzernvorstands werde. Vier Monate später wurde er Vorstandschef.

Die Folgekosten seiner und seiner Freunde Träume zahlen die Bürger über die von Koch durchgesetzte »Schuldenbremse«. Auch das gehört zu diesem Traum. Und daß er jetzt direkt am Hebel sitzt, dort, wo das hinausgeworfene Geld der Bürger schließlich landet. Ach so: Koch hat angekündigt, daß Bilfinger jetzt den Konzernbereich PPP ganz verkauft – er bringt zuviel Ärger und schadet dem Image. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier grinst und schweigt bisher.

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