Solidarität ist eine Waffe – Unterstützt Natalja!

Solidarität ist eine Waffe!

Am Samstag, dem 09. Februar wurde Natalja während der Demonstration gegen die jährliche NATO-Sicherheitskonferenz in München verhaftet. Ihr wird vorgeworfen sich gewalttätig Polizeimassnahmen widersetzt zu haben. Gegen sie wurde ein Haftbefehl erlassen und sie befindet sich seit dem in München hinter Gittern. Natalja wurde schon während des G8-Gipfels im letzten Sommer in Deutschland verhaftet und zu zehn Monaten Haft verurteilt. Außerdem hat sie ein drittes Verfahren, da sie bei der letztjährigen Demonstration zum 1. Mai festgenommen wurde. So wie es aussieht wird sie eine längere Zeit im Knast verbringen müssen. Am 30. April wird sie ihren Prozess im München haben.

Auszüge aus einem Brief, den sie aus dem Knast heraus schrieb:

Ich ging nach München, um an den Protesten gegen die Nato Kriegs Konferenz (offiziel Sicherheitskonferenz genannt), welche jährlich im Februar stattfindet, teilzunehmen. Dies ist ein Treffen von politischen Führern, Militärrepräsentanten und Mitgliedern der Militärlobby, welche alle der Einladung der Quandt Stiftung folgen. Die Quandt-Familie ist der Hauptanteilseigner der BMW Gesellschaft, welche Kraftfahrzeuge aber auch Militärausrüstung, wie Fahrzeuge und Waffen, herstellt. (Die Wurzeln für deren Wohlstand und Einfluss sind die chemische Industrie – einschließlich die Ausbeutung von Gefangenen der Konzentrationslager während des zweiten Weltkriegs).

Trotz des „privaten“/„kommerziellen“ Hintergrundes der Konferenz genießen die Männer und Frauen „die Ehre“ den Status als offizielle Gäste der Bundesrepublik Deutschland. Die deutsche Armee (Bundeswehr) ist verantwortlich für den Schauplatz…

[…]

Zuallererst muss ich sagen, dass ich mich für mein eigenes passiven Verhaltens schäme: Ich bin konfrontiert mit einer künstlichen Umgebung, die gebaut worden ist um Menschen zu kontrollieren und sie zwingt sich an eine Lebensweise anzupassen, die eingefroren zu sein scheint. Das Gefängnis ist eine komplizierte Struktur von Einschüchterung, Leere, Erniedrigung und Druck.

Ich lerne über die persönliche Situation und die Probleme den anderen Insassen und erhalte ein Gefühl der Tragödien der sogenannten „illegalen MigrantInnen“, ein Gefühl dafür was es bedeutet auf die Abschiebung hinter Gittern zu warten, dies ist, was viele Frauen hier tun, warten auf ihre Abschiebung, dabei sind sie isoliert und hilflos…

So ist meine Situation. – Und meine Reaktion? Ich reagiere nicht. Ich agiere nicht. Ich bin nur – und bleibe ich selbst. Aber die einzige Sache, die ich mache ist warten auf das die Zeit abläuft und versuchen die Sachen nicht zu nahe kommen zu lassen.

Für mich begann die Gefangenschaft mit einer Art Schock, der langsam verschwindet. Er wird ersetzt durch einen Zustand der dauerhaften Betrübnis, die ist jedoch, eher im Hintergrund und wird mit einer starken Schicht Müdigkeit, Langeweile und Erschöpfung bedeckt.

Im Augenblick bin ich in einer Zelle im 3. Stock und habe die Zelle für mich. Ich bin froh darüber. Allein zu sein für 22 Stunden pro Tag ist ein richtiges Problem. – Aber keine Zeit für sich selber zu haben, keine fünf Minuten für sich selber zu sein innerhalb der Monate wäre sogar ein größeres Problem für mich.

Der Tag fängt um 6 Uhr morgens an (um 7 Uhr am Wochenende). Dann schalten die Schließer das Licht an. (Es gibt keine Elektrizität innerhalb der Zellen). Die Tür bleibt verschlossen, aber wir erhalten Heißwasser oder „Kaffee“ durch eine Öffnung in der Tür, die danach wieder geschlossen wird. Um viertel vor acht wird die Tür entriegelt und die Gefangenen erhalten saubere Unterwäsche. Wir müssen die benutzte Unterwäsche zurückgeben…, also müssen wir einen Bademantel für diese Prozedur tragen.

Zwischen viertel vor zehn und viertel vor elf können wir eine Stunde an der Luft verbringen. Der Hof ist in der Mitte des Gefängnisses, damit wir nur Wände und Gitter und „ein Stück des Himmels“ und etwas grünen Gras und einen netten Baum sehen können. Unglücklicherweise müssen wir die ganze Zeit im Schatten gehen, weil das Sonnenlicht keinen Weg in den Hof findet. Ich denke, dass dies ein wenig wie eine Höhle ist.

Gegen 11 Uhr erhält jede ihr Mittagessen. Ich warte immer ungeduldig bis viertel nach drei am Nachmittag, weil dann die Tür wieder geöffnet ist – und bleibt für eine Stunde lang geöffnet: du kannst zur „nächsten Tür“ gehen und deine „NachbarInnen besuchen“. Du hast die Zeit, den Mülleimer zu leeren oder um um weiteres Toilettenpapier zu bitten…

Gefangene können nichts selbstständig organisieren. Wenn es etwas gibt, das organisiert werden muss oder wenn sie ein wichtiges Anliegen haben müssen sie ein spezielles Formular ausfüllen. – Selbstverständlich müssen sie erst um dieses Formular bitten… in unserem Fall ist die einzigste Gelegenheit dazu in dieser Stunde wenn die Zellen geöffnet sind.

Bevor unsere Türen nach 60 Minuten wieder verschlossen werden, bekommen wir Kräutertee und Nahrungsmittel für das Abendbrot und das Frühstück am nächsten Morgen. Um 10 Uhr am Abend fängt die Nacht an und die Wächter schalten das Licht aus.

Dreimal in der Woche dürfen wir duschen, dies ist eine weitere Möglichkeit für kleine Gespräche, weil wir vor dem Raum in dem die Duschen sind anstehen müssen. (Am Samstag und am Sonntag ist die Struktur des Tages zu der während des Restes der Woche ein wenig unterschiedlich).

Diese ziemlich abstrakte und formale Beschreibung ist selbstverständlich oberflächlich, aber möglicherweise gibt sie einen Eindruck…

Es ist schwer etwas über soziales Leben hier drinnen zu sagen im allgemeinen. Die „Gemeinschaft“ der eingesperrten Frauen ist voll von Kontrasten und Widersprüchen und jede der Insassen erfährt die Sozialstruktur auf ihre Weise – abhängig von der jeweiligen einzelnen Situation und Perspektive.
Es gibt eine Art starke Solidarität unter den Frauen, sowie Mobbing.
Es gibt taktische Bündnisse sowie reale Freundschaft.

Jede ist auf gewisse Weise einsam. Fast alle Frauen verstecken die meisten ihrer Gefühle – und sehnen sich danach verstanden zu werden. Es gibt eine Menge Sozialdruck, Vortäuschen stark zu sein und Gefühle für sich selbst zu behalten; niemand möchte an ihre eigene tiefe Traurigkeit erinnert werden und ihre eigene Sorgen (z.B. über ihre Kinder, die jetzt von ihrer Mutter getrennt werden). Aber dies alles bedeutet NICHT auf Abstand bleiben zu einander. Die Frauen geben sich gegenseitig viel Wärme, Sympathie, Mitgefühl und Ermutigung. Wie außerhalb der Gefängnismauern sind materielle Bedürfnisse und Hierarchien basierend auf unterschiedlichen „Wohlstand“ wichtige Faktoren.

Und letztendlich sehnt sich jede nach jeder interessanten Sache, irgendwelche Nachrichten oder eine Person, die verspricht ein Spritzer Farbe im Grau des Alltagslebens hinter Gittern zu sein.

[…]

Schreibt Natalja:

Justizvollzuganstalt München
Frauenanstalt
Natalja Liebich
Am Neudeck 10
81541 München
Deutschland

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