Thomas Meyer-Falk: Haftbedingungen im europäischen Vergleich

faust-durchs-gitterWer sich mit den Haftbedingungen in den Knästen beschäftigt, der oder die ist vielleicht auch daran interessiert etwas über die Situation in anderen Staaten zu erfahren. Selbst auf europäischer Ebene wird sich mit dieser Frage beschäftigt, wobei die Gründe hierfür einmal dahin gestellt bleiben sollen.
In einer Studie, welche im Auftrag des europäischen Parlaments die University of London (dort das „International Center for Prison Studies“) erstellte, wurden die Haftbedingungen in 27 Staaten Europas näher beleuchtet. Erkenntnisquellen waren primär die entsprechenden Ländergesetze zum Strafvollzug, aber genauso Berichte von amnesty international oder des Komitees des Europarates zur Verhütung von Folter.

Zwar datiert die Studie (Az. Des Europäischen Parlaments: PE 358.897) von Professor Andrew Coyle von März 2004, dessen ungeachtet ist die auch noch fünf Jahre später lesenswert und informativ.
Auf den ersten 39 Seiten der insgesamt 138 Seiten umfassenden Studie stellt der Autor seine Erkenntnisse zusammenfassend dar. Er beklagt nachdrücklich die in vielen Staaten der Europäischen Union (EU) zu beobachtende Praxis der Überfüllung der Haftanstalten, die zunehmende Zahl der Gefangenen, obwohl die Zahl der Straftaten rückläufig ist. Sodann behandelt er die besonderen Aspekte jeder Freiheitsentziehung: Isolationshaft, Rassismus, Gesundheit, Kontakt mit der Aussenwelt, Arbeit, weibliche Gefangene und jugendliche Inhaftierte.

Die restlichen knapp 100 Seiten beinhalten jeweils detaillierte Analysen der eingangs erwähnten 27 EU-Staaten. Angefangen bei Österreich, über Osteuropäische Länder, aber auch Deutschland bis in den Süden, nach Italien, Spanien, Griechenland. Aus der Fülle der Informationen möchte ich folgende herausgreifen:
Zu Spanien erwähnte Professor Coyle kritisch ausdrücklich das FIES-System (anschaulich bei Xose Tarrio in seinem Buch „Hau ab Mensch“ beschrieben), welches die Isolierung von Gefangenen erlaubt.
Die Zahl der inhaftierten in Spanien sei von 1992 von 35.246 Gefangen auf 56.244 im Jahre 2004 gestiegen. 40 % seien mit Hepatitis infiziert, mindestens 15 % mit HIV/AIDS.

Lettland sperrt, umgerechnet auf die Bevölkerungszahl am meisten Menschen weg, nämlich 351 von 100.000 Bürgerinnen und Bürgern, Estland immerhin 330 von 100.000. Die niedrigste Rate weisen Zypern mit 50 von 100.000 BürgerInnen auf und Slowenien mit 55 von 100.000. Die Überfüllung von Gefängnissen ist vielerorts ein drängendes Problem. Für Griechenland wird eine Belegungsrate von 158 % angegeben: d.h. 8.841 Gefangene (Stand: Dez. 2003) standen nur 5.584 Haftplätze gegenüber. Frankreich das öfters von sich Reden macht, wies für 2003 ebenfalls nur 48.603 Haftplätze für 60.963 Gefangene aus.

Insgesamt krankt die Studie daran, dass sie in weiten Teilen nur die Gesetzeslage in den einzelnen Ländern referiert; aber wir wissen alle, dass es einen großen Unterschied zwischen Theorie und Praxis gibt. Da der Gutachter jedoch auch –wie oben erwähnt- Berichte von amnesty international, Urteile des Menschenrechtsgerichtshofes einarbeitet, kann man nicht davon sprechen, dass er die Situation allzu rosig darstellt.
Der Berichtsteil über die Lage in Deutschland umfasst knapp vier Seiten (S. 70-74). Hervorgehoben wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Juli 1998 zu Gefangenenentlohnung, ferner, dass das Essen im Gefängnis dem in Freiheit vergleichbar wäre. Arbeit sei für 50 % der Gefangenen vorhanden.

Wer sich mit dieser Studie beschäftigt, der sollte jedoch auch die von mir schon früher besprochenen Studie des Europäischen Parlaments von Mai 2000 (Az.: PE 168.394/Fin.St.) mit dem Titel „Crowd Control Technologies“ (Techniken/Technologien zur Bekämpfung von Aufständen) lesen. Dort wird ausführlich dargestellt mit welchen technischen Möglichkeiten Aufstände, ob nun in Freiheit oder aber in Gefängnissen niedergekämpft oder aber z.B. „gefährliche Gefangene“ unter Kontrolle gehalten werden können. Sehr anschaulich ist das Beispiel des „elektrischen Gürtels“. Ein Gürtel mit eingebautem Elektroshocker, der von Wärtern per Fernbedienung ausgelöst werden kann. Vor dem Ersteinsatz an Gefangenen testete man ihn an Schweinen! Es gibt Gefängnisse in den USA, dort müssen als „gefährlich“ eingestufte und HIV-positive Gefangene solch einen Gürtel während ihrer gesamten Haftzeit tragen.
Auf 93 Seiten breiten die Sachverständigen die entsprechenden Technologien –zum Teil bebildert- aus.

Beide Studien sind kostenlos über die Webseite des Europäischen Parlaments abrufbar (http://europarl.de ; bei Problemen die Studien zu finden, kann man sich per Mail an das Archivzentrum des Parlaments wenden unter arch-info@europarl.europa.eu ).
Inhaftierte Interessierte können die Studien ebenfalls unter Angabe der erwähnten Aktenzeichen bestellen. Hierzu schreibe man an Herrn Isaac Gonzales Garcia, c/o Parlement Europeen –Comite Editorial-, ATR 01L026, Rue Wiertz/Wiertzstraat 60,
B-1047 Brüssel, Belgien.
Jedoch sind beide Studien nur in ENGLISCHER Sprache zu beziehen.

Thomas Meyer-Falk
c/o JVA – Z. 3113
Schönbornstr. 32
D-76646 Bruchsal

www.freedom-for-thomas.de
www.freedomforthomas.wordpress.com

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