Thomas Meyer-Falk: Isolationshaft 2011

faust-durchs-gitter – Vollzugsexperten sprechen von Folter

Nachdem die taz in einem langen Artikel vom 24.02.2011 die seit 1995 andauernde Isolationshaft von Günther Finneisen thematisierte, wird zumindest in Teilen der Presse diese Form der Verwahrung eines Gefangenen kritisch beleuchtet.

Fall Günther Finneisen

Mittlerweile ist es fast 16 Jahre her, dass Herr Finneisen und ein Mitgefangener der Justizvollzugsanstalt Celle zumindest kurzzeitig entkommen konnten. Sie hatten einen Beamten als Geisel genommen und konnten so ihre Freilassung durchsetzen, bis sie kurz danach von der Polizei verhaftet wurden.
Seit Mai 1995 sitzen nun Herr Finneisen und sein Kompagnon in Niedersachsen in strenger Einzelhaft; d.h. sie verbringen die 24 Stunden eines Tages mit sich alleine, von kurzfristigen Kontakten zu den Wärtern abgesehen, die ihnen das Essen bringen oder sie zur Einzelhofstunde führen.

Ihnen bleiben nur Radio, Fernseher und Briefe, sowie gelegentlich ein Besuch, um mit Mitmenschen in Kontakt zu treten. Besuche jedoch auch nur hinter Panzerglas, „Trennscheibe“ genannt, eine Scheibe aus Panzerglas, die bis zur Decke reicht, so dass jeder persönliche Kontakt zur Besuchsperson unmöglich ist.

Ein Journalist der taz, Kai Schlieter, hatte 2010 Herrn Finneisen in der JVA Celle besucht und darüber dann am 24.02.2011 auf zwei Seiten der taz berichtet, wie auch dessen und andere Fälle von Inhaftierten in einem Buch ausführlich dargestellt („Knastreport – Das Leben der Weggesperrten“, erschienen 2011 im Westend-Verlag).

Aktuell wird Herrn Finneisen wie seinem in der JVA Sehnde einsitzenden Kollegen im Grunde nur zur Last gelegt, dass auf Grund ihrer Weigerung mit dem Personal der jeweiligen Anstalt Gespräche zu führen, von einer Fortdauer der angeblich extremen „Gefährlichkeit“ auszugehen sei.
So heißt es in dem aktuellen Vollzugsplan des Mittäters von Herrn Finneisen, dass „das von Herrn X gezeigte Verhalten (…) weitgehend angepasst und freundlich gegenüber den mit ihm unmittelbar befassten Bediensteten“ sei; solange er jedoch sein „forderndes Verhalten“ nicht sein lasse und „mit dem psychologischen Dienst oder dem sozialen Dienst zu den Themen Selbst- Fremdwahrnehmung“ spreche, komme eine Aufhebung der Isolationshaft nicht in Frage; so am 08.02.2011 die stellvertretende Leiterin der JVA Sehnde, Frau Volker.
Nicht wesentlich anders argumentiert im Falle Herrn Finneisens die JVA Celle.

Kommentare von Vollzugsexperten

Wie die taz am 02.03.2011 berichtet, sehen Vollzugsexperten in der nunmehr fast 16 Jahre dauernden Isolationshaft den Tatbestand der Folter erfüllt. Der ehemalige Richter am BGH und nunmehrige Abgeordnete der LINKEN Wolfgang Neskovic wird in der taz zitiert mit den Worten, dass „eine so lange Isolation (…) nur darauf angelegt sein (könne), die Persönlichkeit zu zerstören.“
Der ehemalige Leiter der JVA Bruchsal Harald Preusker wiederum wirft dem niedersächsischen Justizvollzug „nichts als primitive Rache“ vor, was zumindest insoweit wundert, als dass er zu Zeiten als Leiter der JVA Bruchsal selbst Isolationshaft, z.B. am RAF-Gefangenen Christian Klar, praktizierte.
Am deutlichsten wird Professorin Monika Frommel, Direktorin des Instituts für Sanktionsrecht und Kriminologie an der Universität Kiel, die laut taz über Herrn Finneisens Situation sagte: „Das ist ein Fall von Folter“.
Der Nestor und wohl der profundeste und kritischste Kenner des Strafvollzugsrechts, Professor em. Johannes Feest (Universität Bremen; www.strafvollzugsarchiv.de) wird mit den Worten wiedergegeben, er befürchte, es werde solche Fälle langjähriger Isolierhaft geben, „solange die Hochsicherheitstrakte nicht abgerissen werden“.

Weitere Entwicklung

Für Herrn Finneisen öffnen sich im November 2011 die Gefängnistore, dann wird er seine Strafe verbüßt haben und kommt auf freien Fuß; was übrigens auch auf die Sonderbarkeit der Isolationshaft hinweist: Weshalb sollte Herr Finneisen wenige Monate vor der regulären Entlassung irgendetwas in Richtung Flucht unternehmen?
Sein Mittäter von 1995 freilich wird weiter verwahrt werden, denn für ihn ist ab 2012 Sicherungsverwahrung notiert (was ist Sicherungsverwahrung?) und das bedeutet für ihn, dass er auf unabsehbare Zeit verwahrt werden kann. Wenn nicht medial und politisch Druck erzeugt wird, bedeutet dies weitere Jahre in Isolationshaft.

Haftbedingungen, wie sie Herr Finneisen und sein Kompagnon, aber auch viele andere in Isolationshaft (die Justiz spricht euphemistisch von „unausgesetzter Absonderung“ und verbittet sich den Terminus „Isolationshaft“) ausgesetzt sind, sprechen dem BILD-Mythos vom Knast als fidelem Hotel Hohn. Wer nun einwendet, die beiden hätten schließlich eine Geiselnahme im Gefängnis begangen, dem ist entgegenzuhalten, dass sie hierfür ihre Freiheitsstrafe erhalten haben, aber kein Urteil, das auf lebenslängliche Isolation hinausläuft. Zudem ist in Deutschland auch jahrelange Isolierhaft üblich, wenn jemand nur über eine Gefängnismauer klettert, oder wie im Fall Axane aus Mannheim, der vor einigen Jahren sich aus der JVA herausbuddelte und danach für Jahre in Stammheim in einem extra für ihn hergerichteten Isolationstrakt verschwand. Oder denken wir an die vielen Gefangenen, insbesondere Kurden, die nach §§ 129a/b StGB (Terrorismus/ kriminelle Vereinigung) in Haft sitzen und die selbst, wenn sie mitunter in der Türkei schon gefoltert worden sind, in Deutschland regelmäßig erstmal für Wochen, Monate oder sogar Jahre in Isolationshaft verschwinden – einfach nur wegen des Tatvorwurfs „Terrorverdacht“.

Ausblick

Wie oben Professor Feest zitiert wurde: es müssen wohl erst die Hochsicherheitstrakte abgerissen werden, bevor auch die Einzelhaft verschwindet; freilich glaubt daran wohl kaum ein Gefangener und erst recht keiner der Vollzugsexperten aus der Wissenschaft oder Politik.

Thomas Meyer-Falk
c/o JVA – Z. 3113
Schönbornstr. 32
D-76646 Bruchsal

www.freedom-for-thomas.de
www.freedomforthomas.wordpress.com

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