Zur Verhaftung von Marie Fee Meyer in Griechenland

Copkiller in GriechenlandUpdate 09.02.2011: Heute Abend wurde Marie Fee erneut von Bullen verhaftet. Weitere Infos folgen.


Fee Marie Meyer wurde am Freitag den 14. Januar, nachmittags von Männern der Anti-Terror Einheit vor ihrem Haus in Athen festgenommen. Die Polizei hat offiziell bestätigt, dass ihr einziger „Beweis“ gegen sie ihre Freundschaft zu Christos Politis sei, ein weiterer Anarchist, der sich in diesem Moment im Gefängnis befindet für die vermeintliche Partizipation in einer Stadtguerilla-Gruppe, wobei die Polizei es nicht einmal Wert findet deren Namen bekanntzugeben. Bald nach Fee’s Verhaftung ließ die Polizei eine verwunderliche, ergreifende und so wie bald bewiesen – fabrizierte Geschichte durchsickern: Fee war die vermeintliche Tochter des RAF Mitgliedes Barbara Meyer und ihr Vater wurde vermeintlich in einer Schießerei mit der Polizei in Wien getötet. ‘Meyer’ ist bekanntlicherweise ein extrem häufiger Nachname in Deutschland: Die Barbara Meyer, die ein Teil der RAF gewesen sein soll, hat mit Fee’s Mutter aber absolut nichts zu tun. Ein unwichtiges Detail für die kommerziellen Medien in Griechenland, die es darauf anlegten, die Polizeipropaganda schnell zu reproduzieren.
Hier ein Brief von Fee Marie Meyer nach ihrer Entlassung und ein Text von einem griechischen Blog.

Offener Brief von Fee Marie Meyer zu ihrer kürzlichen Verhaftung
durch die Anti-Terror Einheit, Freitag, 21. Januar, 2011

Nun, dass die Lichter der Show abgeschaltet wurden und die Bühnenvorhänge sich geschlossen haben, ist für mich die Zeit gekommen zu sprechen. So wie ich es will. Darüber was passierte, welche Spiele auf meinem Rücken ausgetragen wurden aber auch jenseits meiner Person: um über die Dinge zu sprechen, die jedes denkende Individuum im griechischen Territorium betreffen sollten.

Bezüglich meines ‘Falles’: mittlerweile bin ich ziemlich sicher, dass von dem Moment als meine persönlichen Details an die allseits bekannten Übergeschnappten der Anti-Terroristischen Einheit (was natürlich völlig gerechtfertigt war – Ich trank ein Gläschen mit den falschen Leuten) weitergegeben wurden, das Spielchen feststand. Als sie meinen Nachnamen googelten (in Griechenland so häufig wie Papadopolous) und stellt euch ihre Freude vor, als sie den reichhaltigen Hintergrund meiner „Familie“ feststellten. Dass mein Vater einen anderen Nachnamen hat, war ein unwichtiges Detail (solche von „ihrer Sorte schlafen ja ohnehin mit allen“) genauso wie das Geburtsdatum meiner Mutter, dass nicht übereinstimmte mit ihrer Geschichte. Von dem Moment an, an dem die Wirklichkeit nicht mehr übereinstimmte mit ihrer Geschichte, musste sie angepasst werden. Ich spielte die Rolle, die sie für mich vorbereitet hatten. Sie entführten mich am Freitag [14ter Jänner] um 15:00, in dem Moment als ich mein Haus verliess um in die Sprachschule zu gehen in der ich unterrichte. Mindestens 10 Leute mit Balaklavas, brachten mich, nachdem sie mir auch eine übergezogen hatten, in den 12ten Stock des Polizeihauptquartiers in Athen, ohne ein einziges Wort zu sagen. Dort nachdem ich von 6 Leuten verhört worden war, wurde mir eine Foto gezeigt auf dem ich mit meinem Freund und Kameraden Christos Politis zu sehen waren. Sie fragten mich, ob ich ihn kannte und nachdem ich positiv geantwortet hatte, dass er eine weitere Person ist, die sie unrechtmäßig verhaftet hatten, befahl ihr Kommandeur unverschämt „mit dem üblichen Prozedere fortzufahren“. Sie zogen mir alle Kleider aus, nahmen alle Details auf, stahlen mein Hemd und meine Socken – offensichtlich ohne mir zu sagen, welcher Sache ich angeklagt sei und natürlich ohne sich eine Dreck um meine Forderung nach einem Anwalt zu scheren. Die Zeit ist ein wichtiger Faktor, denn von 17:00 an, war die Geschichte über meine Eltern bereits vollkommen ausgebrochen. Das erklärt perfekt, warum sie mich, während ich mich weigerte von ihnen fotografiert zu werden, sie mich mit ihren Mobiltelefonen fotografierten, um sich ein Bild von mir zu sichern. Sonst würde sich ihre heiße Geschichte nicht so gut verkaufen lassen…

Ich weiss nun seit Jahren, wie diese Mechanismen funktionieren, völlig verrottet bis ins kleinste Detail; wir wissen dass die Journalisten-Informanten (mit einer Handvoll doch so wichtiger Ausnahmen) hin und her schalten zwischen dem Reproduzieren von Polizeilügen und dem Befehl den diese an die Bullen erteilen. Dazu bereit jegliches Leben zu zerfetzen, dass ihnen vor das Maul geworfen wird, dazu bereit Wahrheit zu verinnerlichen und Lügen auszuspucken. Niederträchtige Wesen…

Was ich für unvorstellbar hielt, zumindest persönlich, ist die völlige Schamlosigkeit in der das im hier und jetzt passierte.
Als das Fiasko begann klar zu werden, und während ich persönlich noch nicht bewusst darüber war, welcher Schmutz da als ‘Wahrheit’ dargestellt wurde, wurde ich ins Büro des Beamten für ‘internationalen Terrorismus’ gebracht. Er begann mich in ein ‘freundliches Gespräch’ zu verwickeln, darüber wann genau mein Vater in der Schiesserei getötet wurde! Meine Kinnlade musste in diesem Moment wahrhaftig bis zum Fussboden aufgeknallt sein, speziell als er mir lächelnd erzählte „nun, ich bin mehr am internationalen Haftbefehl ihrer Mutter interessiert…“ Das einzige was er nicht tat, war mich davon zu beschuldigen einen Kriminellen zu schützen, da ich vom Beginn an ihm die Namen meiner Eltern nicht gab…
Aber dann wieder tat ich eine Menge Dinge. So wie die Generalstaatsanwältin sagte, dass sie eine Menge an Sachen in meinem Haus konfiszierten …Bürsten, Kleidungsstücke, Zahnbürsten, Polsterüberzüge…gedrucktes Material. Material, das mit Sicherheit beweist, dass ich ein Anarchist bin, etwas das ich niemals versteckten würde und so wie es diese gebildete Frau, die Generalstaatsanwältin ausdrückte so sprachgewandt ausdrückte – Ich sein eine Terroristin, was es ihr sogar erlaubte meine Freiheit zu verweigern bis ein Richterkommitee über meinen Fall entschied!
Wenn sie mich dafür verhaften will, dass ich eine Anarchistin bin, ja dann bin ich schuldig und ich werde das somit immer sein. Ich werde immer auf der Seite der Ausgebeuteten stehen, nicht auf der, der Ausbeuter, für immer, bis es keine Autorität eines Menschen über den anderen und über die Tiere und die Natur mehr gibt. Aber ich fordere öffentlich und ernsthaft, dass die Anschuldigungen gegen mich sich ändern. Dass sie die wahren Anschuldigungen hinschreiben, so dass niemand um den heissen Brei herumredet: dass sie die Anschuldigung ändern in „Sie ist eine Anarchistin und sie kann lesen. Sie hat eine Beziehung mit vielen Menschen die noch immer kämpfen und sie ist stolz darauf“.
Ladet, zielt und erschiesst uns an der Mauer von Keariani [eine Referenz zur Mauer in Athen an der Nazi-Soldaten Partisanen exekutierten – Übers.]
Ich las irgendwo, dass sich das Gesicht eines politischen Regimes auf dem Weg zeigt in welchem es seine politischen Gegner behandelt. Der Ruhm von Griechenland! [populärer Ausdruck, der dazu verwendet wird, die Willkür der Staatsmacht in Griechenland zu verdeutlichen -unübersetzbar – Übers.]
Die Zeiten in denen wir leben sind flüssig, fremdartig und einer ständigen Veränderung unterzogen. In Zeiten der institutionellen und finanziellen Krisen wird die Autorität immer mit der Karrotte auf dem Stock, sowie mit Angst und Sicherheit spielen. Sie wollen, dass niemand auf irgendwas reagiert, nichts ausspricht, nicht um sich herumblickt, nicht anders denkt, oder wo möglich überhaupt nicht denkt. Amputiert unser Gehirn bei unserer Geburt, los, um dem ein Ende zu bereiten!
Sie versuchen überall ihre furchteregende und absolute Homogenität durchzusetzen; ihre absolute und durch und durch studierte Unmenschlichkeit.
In den griechischen Territorien werden in diesem Moment ungefähr 40 Menschen für politische Gründe festgehalten. Die meisten von ihnen waren noch nicht einmal vor Gericht und werden trotzdem in Hochsicherheitsgefängnissen festgehalten; andere werden nicht in öffentlichen oder offenen Verhandlungen vor Gericht gestellt; andere wieder werden ohne das kleinste bisschen Beweis gegen sie festgehalten, ausschließlich wegen ihrer Einstellung, wegen ihrer auf Solidarität basierenden Lebenseinstellung die sie in ihren persönlichen Beziehungen einnehmen, festgehalten.
Ultrakonservativ und einer immer faschistischeren Weise, wollen sie Isolation erzwingen, Einsamkeit, die Logik des „jeder für sich“; sie wollen, dass wir trash-Fernsehen schauen, Substanzen konsumieren, sowie die Lügen und das Spektakel. Nicht mit Bekannten sprechen, keine Menschen in unsere Häuser einladen, niemanden treffen oder sie zu fragen uns besser schon mal ihre Polizeiaufzeichnungen zu zeigen, lieber nicht, wir könnten Probleme bekommen.
Sie wollen dass wir aufhören zu fühlen, und basierend auf die niedrigsten Überlebensinstinke und nach dem Selbsterhaltungstrieb zu agieren, basierend auf dem Sadimus des Türspions, in anderer Menschen Leben herumzuschnüffeln um in diesem Prozess das eigene Leben zu verlieren.
Sie wollen dass wir hassen, alles verdammen das anders ist, Menschen von anderen Orten, Mitarbeiter anderer Sektoren, jeder der anders denkt oder anders lebt.
Die sind alle gefährlich und wir müssen sie hassen, da Hass Angst erzeugt und vice-versa.
Das ist die Angst auf der sie herumtrampeln um ihre Todessicherheit aufzuzwingen, die sterbenden Laute einer Gesellschaft, die die letzten Verknüpfungen denunziert, die sie als solche definieren.
Ich glaube um das menschliche Element im Menschen zu definieren sind nur drei Worte ausreichend: Würde-Freiheit-Solidarität. Niemand kann ohne die anderen beiden existieren, keine von diesen fallen vom Himmel. Sie erfordern Tugend und die Herausforderung. Aber diese sind die schwierigen Bedeutungen, die dem Menschen Substanz geben und die Überleben in Leben verwandlen.
Sie können uns nur kontrollieren, uns in Fetzen zerreissen und uns isolieren, solange wir auf unseren Knien stehen mit unserem Rücken nach vorne gebeugt, einer jedweden Karrotte nachjagend, die sie uns hinhalten.
Lasst uns Widerstand leisten! Wenn wir unseren Kopf erheben und uns wieder in die Augen blicken, werden ihre wackelnden Strukturen wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen. Denn heute mag die Katastrophe auf deinen Nachbarn gefallen sein, aber schon morgen könntest Du an der Reihe sein.
Lasst uns Widerstand leisten! Weil es überall auf der Welt Menschen gibt, die es wagen ihre Köpfe zu erheben. Überall und zu allen Zeiten, zu jedem einzelnen winzigsten Moment, wo man seinen Blick gen Himmel schweifen läßt und gegen den unendlichen Horizont, den sie seit ihrer Jugend vergessen haben, wird das menschliche Element im Menschen wiedergeboren.
Genug! wir haben zuviel und zulange toleriert! Kämpft für die ganze Welt und für Freiheit, kämpft für unsere Leben und für die Würde.
Der Staat und die Medien sind die einzigen Terroristen.
Solidarität für jeden der kämpft ist nicht nur unsere Waffe, sie ist Gewissheit.

Ein gut bekanntes Gedicht, leicht verändert [von Martin Niemöller – Übers.]

Zuerst kamen sie zu meinem Nachbarn
und ich sagte nichts, weil er ein Ausländer war.
Wenn sie für den nächsten kamen wars ein Roma,
und wieder sagte ich nichts.
Dann nahmen sie den Armen, den Landstreicher, den Anarchisten, den Linken
Am Ende kamen sie zu mir.
und erst da verstand ich, dass niemand geblieben war der reagieren hätte können…

Fee Marie Meyer

——

‚Die verlorene Ehre der Marie Fee Meyer‘

1974 veröffentlichte Heinrich Böll eine Kurzgeschichte, die heutzutage als prototypisches Beispiel für die Kritik gegen gewisse Praktiken der Zeitungen angesehen werden kann. Das gutbekannte Buch mit dem Namen Die verlorene Ehre der Katharina Blum handelt von der Geschichte eines gewöhnlichen Mädchens, das – aufgrund von zufälliger Treffen mit einem gesuchten Mann – in das Ziel der Polizei gerät. Daraufhin starteten die Boulevardzeitungen jener Zeit (Böll hat klargemacht, dass er die Bildzeitung insbesondere in dieser Geschichte anspricht) eine Kampagne, die sich bis zur selbstzerstörerischen Verleumdung Katharina Blums zuspitzt, welche, durch das Zusammenwirken von Polizei und Presse, beginnt in einem kafkaesken Alptraum ohne Ende zu leben.

Leider geschehen solche Vorfälle nicht nur in der Literatur. Im wahren Leben können wir täglich Rufmord und Verspottung von Menschen im Fernsehen und in der Presse beobachten. Eine Presse, die schamlos als Medienbüro der Zivilpolizei und Anti-Terroreinheit auftritt. In Zeiten des Internets ist es einfach zu erkennen, dass die meisten von jenen Journalisten nicht ein einziges Wort in ihren vermeintlichen Reportagen von den offiziellen und inoffiziellen Pressemitteilungen ändern, die ihnen von ihren einzigen Informationsgebern – der Polizei – gegeben werden.

Wir haben dieses Schauspiel in den letzten Tagen wiederholt bei der Verhaftung der 27-jährigen Marie Fee Meyer sehen können. Eine Tasse Kaffee mit einem Mann, der von der Polizei als verdächtig angesehen wird, war genug, um sich verhaftet von der Anti-Terror-Einheit und dem medialen Gewinde wiederzufinden. In diesem Fall beschuldigten sich Polizei und Journalisten sogar gegenseitig, wer die Verantwortung für das billige Hollywooddrehbuch trägt: ihre Mutter war ein Mitglied der RAF und für viele Jahre aktiv; ihr Vater – auch ein gnadenloser Terrorist – wurde in einem bewaffneten Konflikt mit der Polizei getötet… Keine der beiden Geschichten war, natürlich, wahr (es war nur der Gleichklang des weitverbreiteten deutschen Nachnamens, der den Stein ins Rollen brachte). Ihr Vater lebt und niemand aus ihrer Familie gehörte je der RAF an. Eine formelle Richtigstellung aus Deutschland folgt, aber – wie es in solchen Fällen üblich ist – die Aufdeckung der Gegendarstellung beträgt nur 1/20 im Vergleich zur Enthüllung der Verleumdung.

Neben all dem Spott und Hohn (mit all den Folgen, die sie im Alltag haben können), den Journalisten, ohne dafür belangt zu werden, provozierten, gibt es auch ernstere Kollateralfälle, die auf exakt der gleichen Art und Weise eine gewisse Stimmung schaffen, um Menschen festzunehmen und sie für 1-1,5 Jahren wegzusperren, in denen sie versuchen zu beweisen, dass sie nicht lügen (wenn sie in der Lage sind, dies zu beweisen).

In der Bölls Romanhandlung erscheint die Klärung des Falls der Katharina Blum in Gestalt der Selbstjustiz. Im wirklichen Leben, erleben wir jeden Tag die faschistischen Debatten in der Gesellschaft, die beklemmende polizei-juristische Kooperation, die staatliche Willkür (sie alle sind in der Lage, Menschen zu schlagen, weil sie anderen ähneln – so wie es der Fall bei der Verhaftung von Dimosthenis Papadatos-Anagnostopoulos, Mitglied der Parlamentspartei Syriza, vor Kurzem war) und die gewagte mediale Politik in der Führungsriege, die ohne Strafe davon kommt.

Costas Despiniadis

Quelle: radicaldesire.blogspot.com, deutsche Übersetzung: de.contrainfo.espiv.net

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