Bericht zur Silvester zum Knast-Demo in Berlin, Redebeitrag und Grußworte

silvester zum knast berlin 08_bannerUnter dem Motto “Reissen wir die Mauern ein, die uns trennen – in Solidarität mit allen kämpfenden Gefangenen und dem Hungerstreik in Italien” gab es zu Silvester eine Demonstration zur JVA Moabit in Berlin. Aus dem Aufruf: “Seit über 20 Jahren gibt es Menschen, die pünktlich um Mitternacht durch eine kraftvolle Demo ihrer Wut gegen Knäste und alle Zwangsanstalten, sowie ihrer Solidarität mit allen Gefangenen Ausdruck verleihen. Es gilt, die zu unterstützen, die aufgrund der sozialen Zustände in den Kerkern dieser unmenschlichen Gesellschaft festgehalten werden.”
Zwischen 400 und 500 Personen kamen, trotz eisiger Temperaturen, und setzten ein eindeutiges Zeichen gegen die herrschenden Zustände. Die Demo wurde von den Gefangenen schon erwarteten und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln begrüßt – Rufe, Pfiffe und nicht zu vergessen Schläge gegen die Vergitterung der Fenster. Neben lautstarken Parolen, Redebeiträgen und Grußworten, Musikwünschen von Gefangenen, wurde auch an den Tod von Alexandros Grigoropoulos erinnert, welcher von einen Bullen in Athen am 6. Dezember erschossen wurde. In Athen selber demonstrierten zur gleichen Zeit über 800 Personen vor dem Knast, direkte Grüße wurden übermittelt.


Der vorgetragene Redebeitrag von ABC Berlin und Grußworte von Thomas Meyer-Falk:

Wir sind dieses Jahr wieder vor den Knast in Moabit gekommen, um unsere Solidarität mit allen kämpfenden Gefangenen einmal mehr deutlich auszudrücken sowie unsere Ablehnung gegenüber allen Zwangsanstalten kundzutun.
Dieses Jahr möchten wir außerdem eine klare und kämpferische Umarmung den Gefangenen in Italien übermitteln – sowie natürlich auch den Weggesperrten in allen anderen Ländern – die gerade ihre Protesten gegen das Knastsystem durch einen Hungerstreik in die Öffentlichkeit tragen.
In Italien hat alles im Dezember des letzten Jahres angefangen als über 700 zu Lebenslänglich verurteilte Gefangene einen unbefristeten Hungerstreik gegen die Strafe des Lebenslänglichen begonnen haben.
Dieses Jahr haben am 1. Dezember mehrere hundert Gefangene wieder angefangen zu kämpfen. Bis zum 16. März wird es einen gestaffelten Hungerstreik in allen italienischen Knästen geben. Dies bedeutet, dass sich jede Woche in einer Region die jeweiligen Knäste im Hungerstreik befinden, bis alle einmal an der Reihe waren. Am 16. März wird es einen Tag des kollektiven Hungerstreiks geben. Unterstützung gibt es auch von vielen anderen Inhaftierten, vor allem in Spanien, aber auch in Deutschland und der Schweiz.
Die Gefangenen kämpfen für die Abschaffung der Strafe des Lebenslänglich. In Italien ist für eine frühzeitige Entlassung die Strafe nämlich erst ab dem 26. Jahr revidierbar, was allerdings für die meisten Lebenslänglichen aufgrund ihrer Verurteilungen nicht angewendet wird . Darunter fallen unter anderem Vereinigungsdelikte wie bewaffneter Kampf und andere sogenannte “Schwerverbrechen”, außerdem der Umstand, dass die Gefangenen mit den staatlichen Organen nicht kooperieren wollen.
Die Selbstorganisierung der Gefangenen wird vor allem von Anarchist_innen begrüßt und dementsprechend unterstützt: es fanden schon eine Vielzahl von solidarischen Aktionen vor vielen Knästen in Italien statt und weitere werden noch folgen.

Diese Demonstration heute in Berlin – genauso wie die in Hamburg und Köln – sind ein kleiner Beitrag zum Kampf der Gefangenen, um ihren Forderungen Öffentlichkeit zu verschaffen und um ihre Rufe nach draußen zu verstärken.
Denn Medien und Politiker_innen verhalten sich wie erwartet – mit großem Desinteresse, was uns natürlich nicht überrascht, denn von solchen Menschen erwarten wir keines und möchten auch keine Solidarität von ihnen.
Deshalb ist es an uns allen den selbstorganisierten Kampf der Gefangenen auf unsere Art und Weise auf der Straße zu unterstützen, um unsere und ihre Unzufriedenheit den Herrschenden gegenüber klar auszudrücken.

Solidarität mit allen Hungerstreikenden in Italien und überall!
Freiheit für alle Gefangenen!
Gegen alle Zwangsanstalten!

Anarchist Black Cross Berlin


Grußworte für die Silvesterdemo 2008 von Thomas Meyer-Falk, zur Zeit Knast in Bruchsal

Herzliche und kämpferische Grüße zu euch allen nach Berlin!

Der alte Knastbau Tegel steht leider immer noch genauso fest, wie der hier in Bruchsal. Und nicht vergessen all die anderen Gefängnisse in Deutschland und weltweit.

Aber ganz langsam entsteht unter den Gefangenen eine Bewegung nicht nur für ein paar mehr Bequemlichkeiten zu kämpfen, sondern für ihre Würde und für ihre Freiheit.
Und von draußen, von Menschen wie Euch die ihr heute in dieser frostigen Nacht gekommen seid, gibt es die so dringend notwendige Unterstützung. Ohne euch in Freiheit gibt es auch hinter Gittern keine Bewegung.

Erich Mühsam, er schrieb in einem Gedicht vom „Mensch sein“. Er schrieb: „Mensch sein erlaubt, befiehlt den Feind zu hassen. Mensch sein heißt Unrecht bei der Gurgel fassen und es mit jedem Keim zu Staub zerreiben….“

Fassen wir das Unrecht bei der Gurgel!

Auf ein kraftvoll-kämpferisches Jahr 2009.

Solidarische Grüße an Andrea, Christian S., Gabriel Pombo de Silva, José Delgado. Ebenso an Marco Camenisch der in der Schweiz gefangen gehalten wird. An die italienischen Genossinnen und Genossen, die in einer Hungerstreikstaffel für Ihr Mensch sein kämpfen und Solidarität brauchen!

Für eine Welt ohne Knäste!


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