Festival gegen den Jugendknast in Wuppertal

Am 12. September 2009 ging der Protest und Widerstand gegen den neuen Jugendknast in Wuppertal in eine nächste Runde. Nach der vielbeachteten Podiumsdiskussion in Ronsdorf mit Gefängnispfarrern und KritikerInnen des Gefängnissystems, nach den Protesten von UmweltschützerInnen gegen die Grundsteinlegung durch die Justizministerin Piepenkötter wurde auf dem Festival gegen den Jugendknast vor allem ehemaligen Gefängnisinsassen und sog. „Heimzöglingen“ das Wort gegeben.

Der heutige (Jugend) Strafvollzug hat in Deutschland eine besondere Vorgeschichte. „Verhaltensauffällige“ und „straffällig“ gewordene Jugendliche wurden schon in Weimarer Republik-Zeiten in „Fürsorgererziehung“ und Jugendgefängnissen unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten. Die nationalsozialistische Gesellschaft verstärkte den Zugriff und sperrte diese Jugendlichen in geschlossene Heime, in sog. „Landespflege- und Heilanstalten“ und Jugendkonzentrationslager ein. Diese Jugendliche fielen dann zum Teil den Mordprogrammen der Nazis zum Opfer, fast alle aus diesem Personenkreis wurden zwangssterilisiert.

Die Initiative huschhusch, das Autonome Zentrum Wuppertal sowie die örtliche Antifa beteiligten sich vergangenen Samstag am Festival gegen den Jugendknast in Wuppertal Ronsdorf. Eindrucksvoll schilderten Paul Brune, ein Opfer der NS-Psychatrie, der auch nach 1945 in Heimen eingesperrt war, Stefan und Gerhardt, beide Ex-Häftlinge in Jugendgefängnissen der neueren Vergangenheit, ihre Erfahrungen und traumatisierenden Erlebnisse. Paul Brune, Jahrgang 1935 wurde als „gemeingefährlicher, debiler Psychopath“ von 1943 bis 1957 psychiatrisiert und war der Gewalt von Anstaltsleitern, Ärzten und Ordensschwestern ausgeliefert. Als achtjähriger Schuljunge entging er nur knapp der Ermordung durch NS-Ärzte und sollte noch in den fünfziger Jahren als „gefährlicher Psychopath“ für immer hinter Anstaltsmauern verschwinden. So wurde von den Zuständen innerhalb der Heime und Gefängnisse berichtet, aber auch von den Versuchen erzählt, innerhalb und außerhalb der Mauern Widerstand gegen die Verhältnisse zu organisieren. Vorangegangen war der Diskussionsrunde ein Zaunspaziergang, entlang des Geländes auf dem der Jugendknast gebaut werden soll, bzw. bereits gebaut wird – dieser wurde durch die anrückende Staatsgewalt allerdings unterbunden, alle Anwesenden des Geländes verwiesen. Bei Antifa-Infostand, veganer Küche und Livemusik wurde dann weiter über die Zustände in Knästen diskutiert. Der Teilnehmer, der über ganz aktuelle Ereignisse berichten sollte, war leider arbeitsbedingt verhindert, so fehlte ein wichtiger Bestandteil der Diskussion. Der Tag endete mit Livemusik von Grog von Teds & Grog (Liedermacher – Berlin), Mettfabrik (Elektro-Hip-Hop – Wuppertal), Nic Knatterton (Hip-Hop / Aachen), Microphone Mafia (Hip-Hop – Köln) und Du & Ich tanzen jetzt (Elektro – Wuppertal).

Quelle: hermilebt.wordpress.com
Weitere Infos zu den Protesten gegen den Knastneubau: huschhusch.blogsport.de


Jugendknast und kein Ende

Wir sind heute hier, weil wieder mal ein neuer Jugendknast gebaut werden soll. Ich gehöre zu denen, die selbst mal unter Jugendknast zu leiden hatten. 1972 wurde ich wegen 5 Gramm Shit zu 9 Monaten Jugendknast verurteilt. Die damalige Verhandlung hat sich wie ein Film in mein Gedächtnis eingebrannt. Der Staatsanwalt zeigte in der Verhandlung Fotos von Herointoten in München und faselte davon, dass Shit die Einstiegsdroge sei und sprach von General-und Spezialprävention. Ich saß nur da und dachte “die spinnen”. Schließlich ging es um 5 Gramm Shit und nicht um ein Kilo H. Nach 2 Stunden machten sie dann kurzen Prozeß und schickten mich 9 Monate in den Jugendknast.
Ich kam nach Niederschönenfeld (Bayern) und landete dort in einem der damals üblichen 8-Mann-Säle. Wie so üblich wurde ich am ersten Abend vom “Saalchef”, einem 20-jährigen Kleiderschrank, der im Hauptberuf Zuhälter war, vergewaltigt, d.h. anal penetriert. Während der ganzen Prozedur dachte ich an die selbstgerechten Gesichter des Staatsanwalts und des Richters, die mich in diese Lage gebracht hatten. Die ganze Vergewaltigung hatte wie üblich nix mit Sexualität zu tun. Es ging dem “Saalchef” darum seine Position zu zementieren. Mir geht’s hier nicht darum, die Gewalt unter Gefangenen, die es grade im Jugendknast sicherlich gibt, zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen. Meine Anklage richtet sich gegen das System Jugendknast, das nicht nur Gewalt unter den Jugendlichen fördert, sondern selbst gewalttätig ist. Auf die Gewalt der Institution will ich nun eingehen.

Als Erst”täter” “durfte” ich als Freigänger bei einem benachbarten Bauern in dessen Champignonzucht arbeiten. Ein sehr fragwürdiges Vergnügen. Da eine Scheune grade umgebaut wurde, mußten wir den ganzen Tag Bauschutt mit der Schubkarre wegbringen. Es war Winter und arschkalt und wir hatten nicht mal Handschuhe. Ich hab furchtbar gefroren. Nach ein paar Tagen bin ich dann während der Mittagspause einfach in den Wald abgehauen. Nach einem Tag hatten mich dann die Bullen im Wald aufgespürt und nach Niederschönenfeld zurückgebracht. Im anschließenden Disziplinarverfahren bekam ich dann 4 Wochen verschärften Arrest. Arrest, das bedeutet Unterbringung in einer total kahlen Zelle im Keller. Verschärfter Arrrest bedeutete, daß dir die Matraze weggenommen wird. Du mußt auf einem harten Holzbrett schlafen und bekommst nur zwei Decken. Außerdem erhältst du kein normales Essen, sondern nur morgens einen sogenannten Kaffee(der mit dem Heißgetränk gleichen Namens nichts zu tun hat) und 3
Scheiben Brot. Abends gibt es dann sogenannten Tee und 3 Scheiben Brot. Hofgang entfiel ebenso. Jeder dritte Tag war dann normaler Arresttag. D.h. 2 Tage verschärft, 1 Tag normaler Arrest. Ansonsten hättest du die 4 Wochen garnicht durchstehen können. Nach den 4 Wochen konnte ich mich kaum noch bewegen. Der ganze Körper schmerzte einfach.

Der verschärfte Arrest wurde mit der Einführung des Strafvollzugsgesetzes zwar abgeschafft, aber die Justiz hat immer noch genug Möglichkeiten, Gefangene zu quälen. Deshalb stehe ich heute mich Euch hier. Weg mit allen Knästen und mit den Jugendknästen fangen wir schon mal an.

Gerhard
Autonomes Knastprojekt Köln

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