Zur Kriminalisierung antifaschistischer Strukturen in Sachsen und Brandenburg

Bullenrazzia im Wohnprojekt Praxis in Dresden am 3. Mai 2011Am 12. April 2011 durchsuchten das LKA und dazu gehörige Büttel in blau 20 Wohnungen und Geschäftsräume in Sachsen und Brandenburg. Die Dresdner Staatsanwaltschaft wirft den 17 Beschuldigten die Bildung “krimineller Vereinigungen” nach §129 vor, sie sollen an mehreren Übergriffen auf Nazis in Dresden beteiligt gewesen sein.
Drei Wochen später durchsuchten am 3. Mai 2011 ca. 150 Bullen das Wohnprojekt “Praxis” in Dresden, welches ursprünglich im Rahmen der Razzien am 12. April schon auf ihrer Liste stand. Der Vorwurf gegen einzelne BewohnerInnen, Mitglieder einer kriminellen Vereinigung zu sein, reichte den Bullen auch in diesem Fall erneut aus, um antifaschistische Strukturen zu kriminalisieren.
Auch wenn wir den Lügen der Staatsorgane wenig Glauben schenken, so erstaunt uns die Dreistigkeit ihrer Repressalien immer wieder. Antifaschismus, in welcher Form auch immer, zu kriminalisieren heißt faschistischen Ideen Raum zur Entfaltung zu gewährleisten. Ganz allein an uns liegt es fernab von Staats-und Parteiinteressen, diesem braunem Treiben ein Ende zu bereiten…

Folgend zwei Texte vom Libertären Netzwerk Dresden, ein Redebeitrag, der sich mit dieser repressiven Welle befasst und die Pressemitteilung zur Durchsuchung im Wohnprojekt “Praxis”.

Ein Redebeitrag zu der Demonstration gegen die Repression

Am Donnerstag den 21. April fand in Dresden eine Demonstration gegen die Hausdurchsuchungen im Zuge eines §129 Verfahrens gegen AntifaschistInnen aus ganz Sachsen statt. Unter anderem wurde folgender Redebeitrag verlesen:

Razzien, Extremismus, Abschiebungen

Am Dienstag den 12. April ist Landeskriminalamt, Staatsanwaltsschaft und Polizei ein Schlag gegen den immer gefährlicher werdenden Linksextremismus in Sachsen gelungen. 17 Wohnungen wurden in den frühen Morgenstunden durchsucht. Die Demokratie wehrt sich (endlich) gegen ihre Feinde, die die garantierten Grundrechte  für ihre Zwecke missbrauchen. Derart lässt sich die offizielle Lesart der Ereignisse zusammenfassen – eine Lesart, die von den meisten Medien unreflektiert übernommen wird1. Dramatische Bilder werden ausgegraben: Man sieht einen großen Pflasterstein, mit dem die Scheiben eines Nazibusses eingeworfen wurden und einen Nazi mit abgerissenen Ohr. All dies geschah irgendwann in den vergangenen zwei Jahren, irgendwo in Sachsen. Damit scheint das Ende des “öffentlichen Interesses” erreicht. Alles passt ins Bild.

Es bleiben jedoch viele ungefragte Fragen, die geeignet sein könnten das Weltbild des “demokratischen Staatsbürgers” etwas ins Wanken zu bringen. Einige sollen hier aufgeworfen werden: Was wird den Beschuldigten vorgeworfen? Was für eine Verbindung besteht zwischen den Beschuldigten aus ganz Sachsen und den begangenen Straftaten der letzten zwei Jahre? Was wurde beschlagnahmt? Was für eine Verbindung besteht zwischen dem Bündnis Dresden Nazifrei, dem Haus der Begegnung, einer Anwaltskanzlei und Straftaten in ganz Sachsen innerhalb der letzten zwei Jahre? Gegen welche kriminelle Vereinigung wird überhaupt ermittelt? Wer sind die Linksextremisten und wer bestimmt, ob sie welche sind? Was hat es für Konsequenzen als Extremist eingestuft zu sein?

Den Beschuldigten wird vorgeworfen Teil einer kriminellen Vereinigung nach §129 StGB zu sein, die eine Vielzahl von Straftaten begangen haben soll. Damit ist der Beweiß, der von den Ermittlungsbehörden zu erbringen sein wird, dreigliedrig: 1. Muss festgestellt werden, ob die vermutete kriminelle Vereinigung denn existiert. 2. muss der “kriminellen Organisation” nachgewiesen werden, dass die genannten Straftaten von ihr begangen wurden. 3. muss den Beschuldigten nachgewiesen werden, dass sie dieser vermeintlichen Vereinigung angehörten. Es muss also keine direkte Verbindung zwischen Beschuldigten und Straftaten bestehen, um ihnen diese zur Last zu legen. Über den Verdacht auf Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung hinaus wird bis zum jetzigen Zeitpunkt auch kein weiterer Tatverdacht den Einzelnen zur Last gelegt.

Der Sinn von Hausdurchsuchungen als Mittel der polizeilichen Ermittlungen sollte es sein den Verdacht mit weiteren Beweisen zu erhärten. Worin die Beweise bezogen auf konkrete Straftaten in diesem Fall bestehen könnten ist unklar. So bleibt jedoch im Sinne des §129 die Möglichkeit Verbindungen zwischen Menschen und die Gesinnung der Betroffenen als Indizienbeweis aufzudröseln. Diese Sprache sprechen auch die hauptsächlich beschlagnahmten Gegenstände: Handys, Computer, Textilien mit politischen Aufdrucken und Aufkleber. Jedoch wurde in einem Fall zum Beispiel auch eine fest eingebaute Reckstange als mögliche Tatwaffe beschlagnahmt. Derartige Konfeszierungen mögen jedoch eher zur Präsentation bei einer Pressekonferenz, wie die Zaunlatten nach den Ereignissen vom 19. Februar 2011, als vor Gericht eine Bewandnis erlangen.
Interessanterweise erfolgten die neusten Razzien unter dem selben Aktenzeichen wie die Stürmung der Räumlichkeiten des “Haus der Begegnung” und von Vereinsräumlichkeiten am Abend des 19. Februar. Gibt es also eine kriminelle Verschwörung zwischen gewalttätigen Demonstranten, Vereinen und den diversen zivilgesellschaftlichen Akteuren des Dresden Nazifrei Bündnisses, die seit zwei Jahren militanten Aufruhr schührt? Diese Theorie taugt vorzüglich für das Format phantasievoller Internetseiten rechter Zusammenhänge. Für ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren in einem “Rechtsstaat” erscheint diese Theorie jedoch zumindest als in hohem Maße unseriös. Falls sich die Justiz nicht in allen Instanzen auf einen politisch motivierten Gesinnungsprozess einlässt, wird die Anklage sicherlich vor Gericht scheitern, das wissen auch die Kläger. Statistisch gesehen enden nur 1% der Verfahren nach § 129 mit einer Verurteilung.2 Der Sinn der Ermittlungen liegt also eher darin einzuschüchtern, Macht zu demonstrieren und Informationen zu beschaffen.

Vorrangig suchen die Ermittlungsbehörden nicht einzelne Straftaten aufzuklären, sondern einen Schlag gegen die sogenannte “linksextreme Szene” zu führen. Der Ansatz findet sich in der breiten Streuung der Durchsuchungen wieder. Der Rahmen des Verfahrens ist tatsächlich derart diffus abgesteckt, dass schon der persönliche Kontakt einzelner Beschuldigter zu anderen Personen ausgereicht hat, um zu weiteren, vermutlich komplett rechtswidrigen Durchsuchungen in deren Räumlichkeiten zu führen. Dementsprechend schwer fällt es die kriminelle Vereinigung beim Namen zu nennen, was in den Medien auch gar nicht probiert wird. Es soll hier dennoch eine Benennung gefunden werden: Von staatlichen Behörden unabhängiges, antifaschistisches Engagement. Diese Gruppe umfasst: 1. “Linksextremisten”, 2. Vereine und Initiativen, die sich unabhängig antifaschistisch engagieren und 3. Sympathisanten vorher benannter Gruppierungen.

Die Bezeichnung “Linksextremist” wird meist unkommentiert in der öffentlichen Debatte übernommen, als handele es sich um eine klar bestimmbare Gruppe – so selbstverständlich vom “rechtschaffenen Bürger” zu trennen wie Auberginen von Sauerkraut. Tatsächlich definiert eine Behörde der Exekutive diese Gruppe nach pseudowissenschaftlichen, selbstverfassten Kategorien: der Verfassungsschutz. Die Einordnung ist weder gesetzlich verankert noch erfolgt sie in einem juristischen Verfahren. Sie verläuft an den Betroffenen vorbei, ohne dass diese auch nur in Kenntnis gesetzt würden. Man könnte sagen die Einordnung ähnelt einem Schufa-Eintrag. Die Konsequenzen hingegen werden sehr schnell spürbar, da die Einstufung Polizei und Behörden über interne Datenbanken sofort zugänglich wird.3 Dies führt zu einer diskriminierenden Behandlung bei Kontakt mit staatlichen Stellen – sei es bei einer Verkehrskontrolle, einer Versammlung, sei es vor Gericht, wo Verfahren nicht mehr eingestellt werden dürfen, sei es bei Beantragung von Visa oder Fördergeldern.

In der Öffentlichkeit ist diese Brandmarkung hinreichend um die Betroffenen aus sachlichen Diskussionen auszuschließen oder wie im Falle der aktuellen Repressionen das staatliche Vorgehen an keinem Punkt mehr in Frage zu stellen. Reagieren die Gebrandmarkten ihren Erfahrungen entsprechend abweisend bis feindlich den Behörden gegenüber, wird ihnen das Verhalten als Beweis für ihre extremistischen Umtriebe angedichtet. Um die Behauptungen mit etwas Leben zu füllen, folgt ein kurzes, reales Beispiel. Unzählige weitere könnten genannt werden.
Eine anerkannte Person der politischen Öffentlichkeit in der Dresdner Neustadt erhält kurz vor der BRN ein Schreiben der Polizei. Darin wird sie aufgefordert, den Feierlichkeiten des Stadtteilfestes fernzubleiben. Man wisse um ihre Einstellungen und habe ihr Handeln genau im Blick. Die Betroffene reagiert erstaunt und beschwert sich bei der lokalen Polizei über den Brief. Auch diese ist erstaunt über das Schreiben. Schließlich sieht die Betroffene nicht jugendlich, gewaltbereit und überhaupt wie ein Extremist aus. Weitere Nachforschungen ergeben, dass eine Einstufung als “Gewalttäter Links” nach einer Sitzblockade gegen einen Naziaufmarsch einige Jahre zuvor Auslöser dieses Briefes ist. Alle ca. 50 TeilnehmerInnen der Sitzblockade wurden entsprechen eingestuft. Der Betroffenen gelingt es den Eintrag löschen zu lassen. Den meisten anderen, so sie von der Eintragung wussten, mag dies kaum gelungen sein.

Zurück zu den aktuellen Ereignissen. Die Vorfälle in Sachsen reihen sich in diverse undemokratische Maßnahmen staatlicher Stellen zur totalitären Gleichschaltung der Gesellschaft ein. Getragen wird die Entwicklung von konservativen Organisationen und Wirtschaftsverbänden in der gesamten Europäischen Union. Verschwörungstheorie? Zu weit aus dem Fenster gelehnt? Keines Falls. Bei allen lauen Demokratiebekenntnissen in feierlichen Reden an die “Nationen” sprechen die Fakten eine andere Sprache. Berurteilen wir die Politik nach den Taten.

Es wurden unzählige Freiheiten zum “Schutz vor islamischen Terroristen” eingeschränkt und behördliche Befugnisse erweitert. Wo sind die Terroristen? Die einzige Verwendung der neuen Gesetze liegt in Bespitzelung und Repression von oppositionellen Bewegungen – seien es Proteste gegen Stuttgart 21 oder Atomkraftwerke, G8/Nato-Gipfeltreffen oder Naziaufmärsche.

Die rechtlichen Grundlagen für Internetzensur sind gelegt. Die Zensur heißt aber nicht Zensur, sondern “Kampf gegen Kinderpornografie” und Jugendmedienschutz-Staatsvertag (JMStV). Es gibt Sperrlisten für Webseiten, aber der neue Hauptmechanismus verläuft deutlich perfider: Das Internet in der EU kontrolliert sich selbst, denn jeder haftet für alles. Die Seitenbetreiber haften für die Kommentare sowie für die Inhalte verlinkter Seiten und auf diesen Seiten verlinkte Seiten. Die Hoster wiederum für alle gehosteten Seiten. Pressefreiheit für alle weicht der Angst vor horrenden Klagen. Der JMStV wird aufgrund einer Ablehnung des Nordrhein-Westfälischen Landtags am 16. Dezember 2010 derzeit neu verhandelt. Ob sich damit seine Aussage ändert bleibt abzusehen.4

Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht von regierenden Politikern oder anerkannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gegen minderverwertbare Gruppen der Gesellschaft gehetzt und Angst verbreitet wird. Migranten (= „Illegale“, „Integrationsunwillige“), Arbeitslose(= „Sozialschmarotzer“), politisch Engagierte (= „Chaoten“, „Extremisten“) und Jugendliche („verwahrloste Jugendbanden“) stehen vorne auf der Agenda. Zu viele Journalisten hängen an den Lippen dieses Personenkreises, schreiben ab oder lassen sich auf die vordiktierten Diskussionen ein, statt selber Fragen aufzuwerfen. Die Affäre Sarrazin war ein trauriger Höhepunkt dieser Mechanismen.

Kaum ein Monat vergeht, an dem nicht verfassungswidrige Gesetze erlassen werden. Sie werden in der Regel durch das Bundesverfassungsgericht außer Kraft gesetzt. Statt zu fragen, wie es sein kann, dass die Regierung verfassungsfeindliche Gesetze erlässt, wird dem Gericht Einmischung in die Politik vorgeworfen. Ein sehr Aktuelles Beispiel ist die Ablehnung des neuen Sächsischen Versammlungsgesetzes durch das Verfassungsgericht am 19. April, dass trotz heftiger Kritik von Juristen durch in aller Schnelle durch den Landtag gewunken wurde.5 Als prominentes Beispiel kann an das vorläufige Ende der Vorratsdatenspeicherung erinnert werden, den Versuch die Bewegungsprofile aller Handybesitzer zentral zu speichern.

Die Extremismustheorie, obwohl wissenschaftlich stark umstritten6, wird staatlicherseits und in den Medien wie gottgegeben akzeptiert und praktiziert. Sie hat sich als sehr mächtiges Mittel zu totalitärer Gleichschaltung der Gesellschaft bewehrt. Sie ermöglicht es dem Staat Bürger- und Menschenrechte individuell zu entziehen ohne die Rechte an sich antasten zu müssen. Mit der Gnade des Verfassungsschutzes darf kritisiert werden. Sie schafft Menschen zweiter Klasse – störendes bis gefährliches Ungeziefer. Die Funktionsweise wurde oben bereits konkret erläutert. Viele Maßnahmen im Zuge der Extremismustheorie konnten sich auch der Unterstützung “linker” Politiker sicher sein. Sie werden als Maßnahmen gegen “Rechtsextremismus” öffentlich angekündigt. Das Exekutive und Justiz keine Unterscheidung zwischen “rechts” und “links” kennen, wird für den Populismus der Stunde gerne vergessen. Außerdem wissen die Entscheidungsträger, dass die Ausgrenzung sie selbst als Personen des öffentlichen Lebens so schnell nicht treffen wird. Auf der öffentlichen Bühne zeigen sich Staat und Gesellschaft gerne tolerant. Viele Vereine blieben jedoch aufmüpfig und verhinderten eine klare Abgrenzung der “extremistischen” Zusammenhänge. Sie waren häufig Steigbügelhalter für staatskritische politische Forderungen. Um den 13. Februar 2010 / 19. Februar 2011 in Dresden trat eine Zivilgesellschaft derart geschlossen, selbstbewusst, unabhängig und kritisch auf, dass die Versuche die extremistischen Umtriebe ausfindig zu machen, in pittoreske Stottereskapaden der staatlichen Verantwortlichen mündeten. Das Weltbild wird nun mit zweierlei Maßnahmen zurecht gebogen. Zum einen werden extremistische Untergrunddrahtzieher konstruiert; zum anderen zwingt man die sich in Geldnot befindlichen Vereine für ihre Förderungen die sogenannte “Extremismusklausel” zu unterschreiben7. Konkret heißt das: Entweder ihr schließt oder ihr arbeitet nur noch mit vom Verfassungsschutz genehmigten Personen zusammen. Eure Pressemitteilungen müssen vor der Veröffentlichung behördlicherseits genehmigt werden.

So hält sich die aufgeklärte, europäische Gesellschaft Menschen zweiter Klasse. Aber es existieren auch jene dritter Klasse. Jene welche als moderne Vogelfreie den Todesstreifen der europäischen Außengrenze durchquert und überlebt haben. Wenn einem nicht die perfide Logik ökonomischer “Sachzwänge” zu Kopf gestiegen ist, dann mag man sich fragen, wie ein ganzer Mensch illegal sein soll. Der europäische Bürger kann etwas illegales tun, der “Illegale” hingegen ist es per se. Die Illegalen sind Unberührbare. Wer ihnen hilft, begeht in den meisten europäische Ländern eine Straftat. Dem interessierten Leser ist zu empfehlen sich über die Lager von Malta zu informieren. Sie sollen hier nicht beschrieben sein. Die Beschreibung würde unappetitlich und übertrieben erscheinen.

In soweit wären einige Kritikpunkte zusammengefasst. Fortfahren könnte man mit den internatonalen Verwicklungen europäischer Konzerne, den Abgründen der radikalen Marktwirtschaft oder europäischer Außenpolitik. Hier können jedoch die unmenschlichen Machenschaften der sogenannten “freien Welt” nur kurz angerissen werden. Sie sollen uns nur folgendes mitgeben: Der Staat ist nicht “gut”, sondern vertritt die politischen Ambitionen einflussreicher Zusammenhänge. Der Staat ist (noch) nicht allmächtig. Es mangelt an kritischer Presse und Öffentlichkeit. Es gibt keinen Extremismus, sondern verschiedene Vorstellungen menschlichen Zusammenlebens. Es gibt staatlich geschaffene oder akzeptierte Armut, Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Diskriminierung in der EU. Es existieren totalitäre Bestrebungen in der “Mitte” der Gesellschaft.

Erkenntnissen müssen Handlungen folgen. Gegen repressive Staaten und ungerechte Wirtschaftssysteme sollten wir uns zu einer handlungsfähigen, bunten und solidarischen Zivilgesellschaft zusammenschließen, die Stück für Stück staatliche Handlungsbereiche ersetzt. Eine menschengerechte Gesellschaft kann nur in kleinen Schritten vom Individuum aus entstehen. Alles andere würde dem Individuum ein neues starres Lebenskonstrukt aufzwingen.

Wenn staatliche Stellen und Parteien jedoch der Meinung sind diese Entwicklung durch willkürliche Kriminalisierungen und Schmutzkampagnen unterbinden zu können, dann müssen die Aggressoren in ihre Schranken verwiesen werden. Jetzt ist es wichtig zusammenzustehen und auf allen Ebenen den Konflikt auf die Spitze zu treiben. Wichtig bleibt dabei jedoch: Diese Bewegung darf ihre eigenen Ideale nicht verraten. Sie sollte selbstkritikfähig und inhomogen sein.

Solidarität mit den kriminalisierten Aktivisten!
Weg mit der politischen Justiz!


PM: Dresden-Löbtau, Hausdurchsuchung in libertärem Hausprojekt

In den frühen Morgenstunden des 03.05.2011 kam es erneut zu Razzien in linken Strukturen Dresdens. Diesmal durchsuchte ein Großaufgebot von 150 Beamt*innen der Bereitschaftspolizei, des LKA und des SEK das libertäre Hausprojekt „Praxis“. Grund für die Razzia waren Ermittlungen wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Das Libertäre Netzwerk Dresden wertet die heutige Maßnahme, zusammen mit einem überzogenen Einsatz am 1. Mai und vorherige Hausdurchsuchungen als Teil einer breiten Einschüchterungs- und Verleumdungskampagne.

Gegen 4:30 Uhr wurden Bewohner*innen der Columbusstraße 9 auf mehrere Männer aufmerksam, die sich illegal Zutritt zum Hausflur ihres Gebäudes verschafft hatten und in diesem mit Taschenlampen agierten. Wenige Minuten später umstellten ca. 100 Beamt*innen der Bereitschaftspolizei das Gebäude. Vermummte Polizist*innen stürmten mit Maschinengewehren zur Haustür, die glücklicherweise vor der Zerstörung geöffnet werden konnte. Im Erdgeschoss wurden daraufhin mehrere Personen aus den Betten geholt und zum Teil mit Kabelbindern gefesselt. Vier Personen wurden mit vorgehaltener Maschinenpistole in einen Raum geführt. Dem Besitzer eines Hundes wurde nach eigener Aussage mehrfach mit der Erschießung des Tieres gedroht.

Von Seiten des LKA wurde den Anwesenden die Begleitung der polizeilichen Maßnahmen als Zeug*innen, ein verbrieftes Recht zum Schutz vor polizeilicher Willkür, untersagt. In den oberen Etagen des Hauses wurde mehrfach versucht, verschiedene Wohnungstüren einzurammen. Bewohner*innen wurden teilweise in ihren Wohnungen belästigt, obwohl für diese Räumlichkeiten kein Durchsuchungsbeschluss vorlag. Als Grund für die Durchsuchung wurde wie am 19.02. (in einem Anwaltsbüro, dem Haus der Begegnung und verschiedenen Vereinsräumen) und am 12.04. (in verschiedenen Privat- und Geschäftsräumen) Ermittlungen zur Bildung einer kriminellen Vereinigung angegeben. Zynisch ist dabei, dass die Polizei nun stolz “Steine, die als Wurfgeschosse dienen könnten” als Ermittlungserfolg präsentieren – dieselben Steine, die erst durch die Untätigkeit der Polizei am 19. Februar von 250 Neo-Nazis auf das Gelände geworfen wurden.

Auch am 1. Mai kam es in den Abendstunden zu Übergriffen von Seiten der Polizei; ein in den Morgenstunden geöffneter Teil der nichtöffentlichen Alaunparkfläche wurde von einer Hundertschaft der Leipziger Bereitschaftspolizei geräumt. Die feiernden Menschen an verschiedenen Lagerfeuern wurden nach ihrer Aussage dabei mit einem martialischen Auftreten der Einsatzkräfte eingeschüchtert und anschließend mehrere Stunden im Parkareal festgehalten.

Die Ziele der staatlichen Maßnahmen sprechen eine klare Sprache, worum es dem LKA und der Staatsanwaltschaft geht; durchsucht wurden Jugendvereine, ein Nachbarschaftsladen, das Projekt “Praxis”, dass sich für selbstorganisierte Stadtteilpolitik einsetzt. Mit einer Hundertschaft Bereitschaftspolizei wurde eine Fläche gestürmt, die zur Selbstgestaltung und Interaktion einladen sollte. Es handelt sich bei dem aktuellen Vorgehen nicht um einen Kampf gegen Gewalt, sondern um einen großflächigen Angriff auf alternative und selbstbestimmte Lebenskultur, politische Eigeninitiative und hierarchiekritische Konzepte.

Als Menschen aus dem Libertären Netzwerk möchten wir dazu aufrufen, sich entschlossen gegen Verleumdnungen zur Wehr zu setzen, sich nicht einschüchtern zu lassen und ihnen praktische Solidarität zuteil werden zu lassen.

  1. z.B.: Süddeutsche Zeitung, Spiegel-Online []
  2. siehe Wikipedia → Kriminelle Vereinigung []
  3. siehe www.akdatenbanken.de []
  4. siehe Wikipedia → Jugendmedienschutz-Staatsvertrag []
  5. z.B.: Mitteldeutscher Rundfunk []
  6. Vgl. Dr. Prof. Wolfgang Wippermann, Sistema Totalitario, Zur Kritik der Extremismustheorie []
  7. Dies wurde trotzdem von verschiedenen, engagierten Vereinen abgelehnt. So z.B. von dem Pirnaer Verein AKuBiZ e.V., vgl. www.libertaeres-netzwerk.info []

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