Zur Situation der Gefangenen in Griechenland
Dieser Text gibt einen Überblick über aktuelle Gefangene und deren Kämpfe in Griechenland, erschienen im Gefangenen.Info Nr. 358 Okt./Nov. 2010.
Seit dem Aufstand im Dezember 2008 versucht der griechische Repressionsapparat die erstarkten subversiven Bewegungen zu zerschlagen. In den letzten 2 Jahren geschah dies wieder vermehrt durch Verhaftungen unter dem Vorwurf der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“. Unter diesem Vorwurf wurden 2009 fünf junge GefährtInnen verhaftet, da sie Teil der seit 2008 aktiven Stadtguerilla-Gruppe „Verschwörung der feurigen Zellen“ („Conspiracy of the Cells of Fire“) sein sollen. Drei von ihnen, Harilaos “Haris” Hatzimichelakis, Panayiotis “Takis” Masouras und Konstantina Karakatsani sitzen immer noch im Knast. Nicht nur die Polizei tat alles, um den Fall so spektakulär wie möglich zu gestalten, sondern auch die Medien, welche immer wieder von „sicheren Häusern“ sprachen, die die GefährtInnen angeblich zur Planung diverser Anschläge und zur Aufbewahrung von Sprengstoff nutzten. Dies ist geplante Taktik. Denn schon 2007 quollen die Medien von schlecht geschriebenen Geschichten über. Damals wurde einer der von den Medien erfundenen „Robbers in Black“ Yiannis Dimitrakis von der Polizei angeschossen und verhaftet, als er dabei war eine Bank zu überfallen. Polizei und Medien konstruierten das Bild eines „anarchistischen Terroristen“ und dokumentierten dessen Aktivität im anarchistischen Spektrum. Yiannis muss wegen dem bewaffneten Überfall noch weitere 35 Jahre absitzen. Gegen 3 weitere Gefährten liegen Haftbefehle vor, wobei einer, gegen Simos Seisidis, im März diesen Jahres vollstreckt wurde. Bei der Festnahme wurde er von Polizeikugeln am Bein getroffen, wodurch ernsthafte Verletzungen entstanden und ihm schlussendlich das Bein amputiert werden musste. Er wird im Krankenhaus des Knastes Korydallos in Athen unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen gefangen gehalten. Aris Seirinidis, auch ein anarchistischer Gefährte aus Athen, wird vorgeworfen, 2009 auf ein Polizeifahrzeug geschossen zu haben. Er sitzt immer noch im Knast, ohne jegliche Beweise.
Ebenfalls angeklagt wegen bewaffneten Banküberfalls ist Christos   Stratigopoulos und wegen Komplizenschaft der 73-jährige Alfredo Bonanno.   Beide sitzen seit dem 1. Oktober 2009 in Athen im Gefängnis. Obwohl   Christos die komplette Verantwortung für den Überfall übernommen hat,   werden jegliche Anträge auf Freilassung Bonannos abgelehnt. Der   Gesundheitszustand des 73-jährigen ist sehr schlecht, er hat einen Tumor   im Schulterbereich, und ist unter anderem Diabetiker. Der Prozess  gegen  die beiden Anarchisten ist für den 22. November 2010 angesetzt.  Es  zeigt sich sehr deutlich, wie der griechische Staat Alfredo trotz  seines  Gesundheitszustandes versucht, zu schikanieren, er ist seit  Jahrzehnten  in der anarchistischen Bewegung aktiv und bekannt, durch  Texte und  andere Aktivitäten.
Wenn mensch sich z. b. das Strafmaß  von Vangelis Chrysochoidis und  Polykarpos Georgiadis ansieht, die für  das Entführen eines  Industriebosses im Jahr 2008 zu 22 Jahren  verurteilt wurden, oder das  von Ilias Nikolau, der wegen eines  Brandanschlags auf eine  Polizeistation in Thessaloniki im August 2008  7,5 Jahre bekam, so sieht  die Zukunft für Bonanno und Stratigopoulos  weniger rosig aus.
Bei all diesen Verhaftungen ist es wohl kaum zufällig, dass es sich   immer um Menschen handelt, die an eine befreite Gesellschaft glauben und   für diese auch kompromisslos kämpften und auch weiterhin hinter  Gittern  dafür kämpfen werden. Das dann „zufällig“ Menschen wie Lambros  Foundas  von Polizisten erschossen werden, scheint unglaubwürdig.  Polizeikugeln  trafen ihn tödlich, als er am 10. März 2010 ein Auto  knacken wollte. Er  sei bewaffnet gewesen, so die Polizisten. Das nur  einen Monat später 6  GefährtInnen festgenommen werden, denen  Mitgliedschaft in der  Stadtguerilla-Gruppe „Revolutionärer Kampf“  (Revolutionary Struggle)  vorgeworfen wird, kann auch hier wieder kein  Zufall sein. Eine Gruppe,  die jahrelang erfolgreich Staat und Kapital  durch militante Aktionen  sabotierte. Denn wie sich herausstellte, nahm  Lambros Foundas ebenfalls  an den Aktivitäten von „Revolutionären Kampf“  teil, wie 3 der  Verhafteten, Panayiota “Pola” Roupa, Constantinos  “Costas” Gournas und  Nikolaos “Nikos” Maziotis in einem 16-seitigen   Selbstbezichtigungsschreiben darlegten.
Am 17. September wurden  wieder einmal drei GefährtInnen 150 km südlich  von Athen festgenommen.  Auch ihnen wird vorgeworfen, einen bewaffneten  Banküberfall begangen zu  haben, obwohl keinerlei Beute oder irgendeine  Bewaffnung zum Zeitpunkt  ihrer Verhaftung vorlag. Einer der nun  Gefangengehaltenen, Michalis  Traikapis, gehörte zu den Thessaloniki 7,  die während der Proteste um  den EU-Gipfel 2003, festgenommen wurden.  Anfang Oktober wurde ein  19jähriger Gefährte in Thessaloniki unter dem  Vorwurf der Brandstiftung  (zu der er sich bekannte) verhaftet, wobei  noch 4 weitere Personen  gesucht werden.
Die Liste solcher Fälle wird nicht kürzer, solange  die Regierung und die  Medien alles daran setzten, subversive  Zusammenhänge zu  kriminalisieren. Derzeit sitzen ca. 25 AnarchistInnen,  neben unzähligen  „sozialen“ Gefangenen, in griechischen Knästen.  Die  Summe für ihre  Unterstützung beläuft sich monatlich auf mehrere tausend  Euro.
Es scheint eine Hexenjagd in Griechenland im Gange zu sein, in dessen Visier AnarchistInnen und Antiautoritäre geraten, wobei nicht vergessen werden darf, dass die repressiven Maßnahmen auf alle Teile der kämpfenden Bevölkerung zielen.
Doch der Repression steht eine enorme Solidarität gegenüber. Sei es   durch die Besetzung von Fernsehstudios wie auf Kreta, durch die   Besetzung der Universitäten, durch Demonstrationen und durch Anschläge.   Sei es durch den seit Sommer existierenden Gefangenen-Solidaritätsfond   oder durch die Hungerstreiks in den griechischen Knästen. Letzterer   veranlasste die griechische Justiz dazu, dass Nikos Maziotis sein   neugeborenes Kind von Pola Roupa und ihm besuchen durfte.  Wie wir  diesen Artikel schreiben, befinden sich Nikos Maziotis und  Costas  Gournas seit dem 13. Oktober wieder im Hungerstreik, denn Costas  möchte  in einen Knast verlegt werden, welcher näher zu seiner Familie  liegt.  (Costa hat wegen seiner erfolgreichen Verlegung inzwischen seinen  HS  beendet. Red.)
Gleichzeitig bekamen mehrere Athener GefährtInnen,  Angehörige und  FreundInnen der wegen Mitgliedschaft im „Revolutionärer  Kampf“  Eingesperrten, Briefe von der Staatsanwaltschaft, die sie „zu  Gesprächen  einladen“ und zwar nach § b 187 A P.K., was dem  Antiterrorparagraphen  entspricht.
Das lässt glauben, dass der Staat nicht vor hat, den Druck gegen die Unbeugsamen abzubauen.
Aber die Leidenschaft für die Freiheit bleibt stärker als jede Zelle!
Anarchist Black Cross, Berlin
www.abc-berlin.net
 
					 
																								 
																								 
																								



