Quelle: https://de.indymedia.org/node/65214
Zwischen dem 18. und dem 29. Oktober 2019 fanden in Freiburg im Breisgau die Squatting Days statt. Eine Aktionswoche rund um Häuserkämpfe mit einem Aufruf zu dezentralen autonomen Aktionen und einer DIY-Organisierung der Aktionsinfrastruktur. Zusammen mit anderen parallel stattfindenden Veranstaltungen und Aktionen gab es für die Tage als Infrastruktur unter anderem eine KüFa, ein EA-Telefon, Infopunkt, GeSa-Support, Out of Action, Awareness, Anti-Rep- und Anti-Knast-Struktur und Workshops zur Vorbereitung auf Aktionen und zum Umgang mit Repression. Wir wollen nun, nachdem einige Zeit vergangen ist und wir Zeit zur Nachbereitung und Reflektion hatten, unsere Perspektive auf die Aktionstage aus Sicht der Antirepressionsgruppe geben. Im Folgenden wollen wir einen Überblick über die Tage und die erfolgte Repression geben, einen Blick auf das Vorgehen der Verfolgungsbehörden werfen und unsere Strukturen vorstellen und zuletzt eine vorläufige Bilanz ziehen.
Was ging während der Squatting Days in Freiburg?
Um erstmal zu wissen worüber wir reden, wollen wir einen kleinen 
Überblick über die Squatting Days geben, der natürlich keine 
Vollständigkeit erbringen wird. In der Zeit fanden auch mehrere größere 
politische Veranstaltungen parallel statt, von der KTS Kulturwoche mit 
vielen Workshops und Konzerten bis hin zur Nachttanzdemo gegen neue 
Polizeigesetze und Rechtsruck. Rückblickend ist aktionsmäßig vieles 
passiert in diesen Tagen. Da es keine zentrale Orga oder 
Aktionskoordinierung gab, sondern ein dezentraler Aufruf und viele 
parallel laufende Aktionen, betrachten wir einfach alle Aktionen, die im
 selben zeitlichen Rahmen stattgefunden haben oder direkt auf die 
Squatting Days Bezug nehmen. So gab es während der Aktionstage zum einen
 verschieden Besetzungsformen von klandestinen Hausbesetzungen im 
Schutze der Nacht, bis zu einer Besetzung während der Nachttanzdemo. 
Aber auch offene Aktionsformen, wie die angekündigte feministische 
Stadtrallye und eine Unzahl an Kleingruppena
 ktionen, mit einer breiten Aktionsspanne von Plakatieren und farblicher
 Neugestaltung zu brennenden Vonovia Autos, fanden statt. Bereits vor 
den Squatting Days fanden mehrere Kleingruppenaktionen statt, die sich 
direkt auf die Aktionstage bezogen. (1)
Wie haben die Repressionsorgane allgemein reagiert?
Bei den Besetzungen lässt sich klar feststellen, dass es vor allem um 
die schnellstmögliche Räumung ging. Diese fand teils in der selben Nacht
 nach der Besetzung noch statt und wurde mit allen Mitteln durchgesetzt.
 Dabei agierte die Polizei aggressiv und technisch hochgerüstet (zum 
Beispiel mit 2 (sprechenden) Drohnen). Zudem kamen mit dem SEK stark 
militarisierte Einheiten gleich zweimal zum Einsatz. Es gab kein 
Interesse an Verhandlungen oder Deeskalation. Stattdessen sollte 
jeglicher Besetzungsversuch möglichst schon im Keim erstickt werden. 
Eine interessante Erkenntnis scheint dabei, dass die Polizei nur mit 
massiver Präsenz in Form von Streifen und Zivis (Polizist*innen ohne 
Uniform) überall in der Stadt versuchte Aktionen einzuhegen, bekannte 
Treffpunkte wie der Infopunkt in der KTS oder andere Veranstaltungsorte 
aber im Bezug auf sichtbare Repression in Ruhe ließ. So blieb zum einen 
zwar ein wenig Luft zum Atmen, zum anderen ist aber davon auszugehen, 
dass dann zivile
 Polizist*innen mit Sicherheit in der KTS ihr Unwesen trieben.
Geschickt an der Taktik scheint dabei, dass die Polizei so vermied in 
eine Konfrontation mit den hunderten Menschen, die an der Kulturwoche 
und den Veranstaltungen im Rahmen der Squatting Days teilnahmen zu 
kommen und direkt die Menschen anging, die auch an den Aktionen 
teilnahmen.
Für die gesamte Zeit der Aktionstage, also knapp zwei Wochen, war in 
Freiburg eine massiv erhöhte Polizeipräsenz zu spüren. Dabei waren auch 
Ziviautos aus einigen anderen Städten im Einsatz. Hundertschaftspolizei 
war innerhalb kürzester Zeit auf Abruf bereit und auch das 
Baden-Württembergische SEK kam mehrmals zum Einsatz. Das SEK ist 
eigentlich eine, als Anti-Terror-Einheit eingeführte, schwer bewaffnete,
 militärisch agierende Spezialeinheit der Polizei. Sie ist eigentlich 
für den Einsatz bei Lagen mit bewaffnetem Gegenüber trainiert und 
ausgerüstet. Seit einiger Zeit, spätestens seit dem G20 in Hamburg und 
der versuchten Räumung des Hambacher Forsts 2018, lässt sich aber eine 
Tendenz zum vermehrten offenen Einsatz gegen politische Aktionen 
verzeichnen.
Bei der letzten Hausräumung der Woche in der Kronenstraße kam das bisher
 größte Aufgebot an Polizeieinheiten bei einer Hausräumung in den 
letzten Jahren zusammen. Neben mehreren Baden-Württembergischen 
Hundertschaftseinheiten, Kripo Beamt*innen aus Freiburg und umliegenden 
Städten wie Emmendingen, waren auch wieder SEK-Einheiten vor Ort. Es war
 die Freiburger Polizeidrohne, wie auch eine Drohne des SEK im Einsatz. 
Da zeitgleich auch noch ein Fußballspiel in der Stadt stattfand, waren 
Polizeieinheiten aus ganz Baden-Württemberg zusammen gezogen worden und 
selbst Einheiten aus entfernteren Orten waren hier im Einsatz. Für die 
Zeit nach der Räumung war eine Amtsrichterin eigens auf Abruf bereit. 
Diese ordnete dann auch später den Gewahrsam mehrerer Personen an, da 
kurioser Weise die GeSa sich geweigert hatte, die in Gewahrsam 
genommenen aufzunehmen und so richterlich dazu gezwungen wurde, diese 
für einige Stunden aufzunehmen.
Ein*e Aktivist*in schaffte es erfolgreich sich der Räumung in der 
Kronenstraße zu entziehen, indem sich die Person im Haus versteckte und 
sich dadurch den Namen -Punk im Schrank- sicherte. Zwei Menschen 
verweigerten ebenfalls erfolgreich nach der Räumung ihre Personalien, 
was die Polizei sichtlich überforderte.
Auch in der besetzten ehemaligen Polizeiwache in der Fehrenbachallee 52,
 entwischten drei Aktivist*innen der Polizei. Obwohl diese das Gebäude 
permanent umstellt hatte, konnten drei der Besetzer*innen am hellichten 
Tag vom Dach verschwinden. Da wurden doch direkt Vermutungen angestellt,
 ob die -POWA- vielleicht an das Tunnelsystem zum Hambi angeschlossen 
sei. (2)
Eine weitere Kuriosität war die Festnahme einer Person mit dem Vorwurf 
der -Spionage-, ihr wurde vorgeworfen sich des Verbrechens schuldig 
gemacht zu haben, die Kennzeichen von Polizeifahrzeugen aufzuschreiben. 
Interessant wenn sich die Spionage-Behörden plötzlich über angebliche 
Beobachtung echauffieren. Vermutlich war dieses Vorgehen eine weitere 
Frustaktion als Reaktion auf das Auftauchen eines Plakats mit 
Polizeikennzeichen und den Bildern mehrerer stadtbekannter 
Zivilpolizist*innen, die regelmäßig auf Demos ihr Unwesen treiben.
Auch wenn die Besetzungen alle recht schnell geräumt waren, war es der 
Polizei nicht möglich die Besetzungen trotz öffentlicher Ankündigung der
 Aktionstage zu verhindern. Selbst bei der Nachttanzdemo mit massivstem 
Polizeiaufgebot war sie überfordert und musste sich schließlich 
zurückziehen und konnte erst am nächsten Tag räumen. Bei den 
Kleingruppenaktionen schien die Polizei schlicht gar keinen Ansatzpunkt 
zu finden, darauf zu reagieren. Es kam zu keinen bekannten Festnahmen in
 Zusammenhang mit Kleingruppenaktionen und diese fanden fast täglich 
bzw. nächtlich statt. Gegen Ende der Woche war dann auch eine starke 
Frustration bei der Polizei spürbar, insbesondere auch da nach über 10 
abgebrannten Autos der Druck von Medien und sicherlich auch der Politik 
stark zunahm. Es folgten härtere Sanktionen gegen festgenommene 
Aktivist*innen, wie Stadtverbote oder, für Menschen aus Freiburg, 
Hausverbote für eineinhalb Tage. Zudem schienen sich die Beamt*innen für
 nichts mehr z
 u schade und so wurde gegen Ende der Tage selbst ein Erste-Hilfe-Set 
von übereifrigen Kripopolizist*innen (Kriminalpolizei) zum potenziellen 
Brandsatz hochgepusht. Wer kennt sie nicht die berüchtigten brennenden 
Pflaster und Mullbinden…
Es bleibt spannend, wie die Polizei nun weiter agieren wird und wie sie 
versuchen wird dieses offensichtliche Unvermögen zu kaschieren.
Was gab es an Anti-Repressions Strukturen?
Bei den Squatting Days gab es ein permanent besetztes EA-Telefon, 
welches bei Festnahmen und Kesseln angerufen werden konnte und Menschen 
in Gewahrsam unterstütze und darauf achtete, dass niemensch vergessen 
wurde. Eine GeSa-Support-Struktur, die Unterstützung für in Gewahrsam 
Genommene organisierte und mit warmem Tee und Schokolade vor der 
Polizei-Wache die Freigelassenen in Empfang nahm.  Aber auch Strukturen 
die sich um den emotionalen Teil von Repression kümmern, heißt Out of 
Action. Eine Awarenessstruktur bot Unterstützung bei Übergriffen. Im 
Hintergrund gab es uns als Anti-Rep Gruppe und eine Anti-Knast 
Koordinierung, solidarische Anwält*innen gab es natürlich auch. Um 
einfacher rauszufinden wer und wie viele festgenommen wurden und auch 
einen solidarischen Umgang mit Personalienverweigerung zu ermöglichen, 
gab es ein System von anonymen Anti-Rep-Nummern für alle auf Aktion. 
Jede Person die wollte konnte sich eine Nummer abholen und sie an 
Menschen in der Bezugsgrupp
 e und Vertrauenspersonen weitergeben. So brauchte es keinen Namen, um 
klar zu haben, ob zum Beispiel eine Person aus der Bezugsgruppe drinnen 
ist. Zudem hatten wir einen Bogen für Unterstützung Verhafteter zur 
Verfügung gestellt, angelehnt an den ABC-Bogen des ABC Rheinland (3). 
Dort konnten Menschen anonym Notfallkontakte, Wünsche und Bedürfnisse 
für den Fall einer Untersuchungshaft oder Haftstrafe hinterlassen.
Leider gab es Schwierigkeiten die Infos über die vorhandenen 
Anti-Rep-Strukturen schnell und rechtzeitig an alle Beteiligten zu 
verteilen, trotzdem hat sich insgesamt gezeigt, dass diese sehr 
regeĺmäßig genutzt wurden und die Struktur als sehr hilfreich und 
stärkend empfunden wurde. Dabei freut es uns sehr, dass zum einen 
niemensch im Knast gelandet ist und Leute sich diesmal auch wirklich vor
 Aktionen darauf vorbereitet haben. Denn auch, wenn es hier in der 
Gegend selten passiert, es ist definitv besser vorbereitet zu sein. Wir 
denken auch, dass die erfolgreiche Personalienverweigerung von zwei 
Menschen durch diese Struktur erst möglich wurde. 
Was kommt nach der Räumung?
Nach den Räumungen darf sich darauf eingestellt werden, dass Leute von 
Cops aus Demos rausgezogen werden und eine nachträgliche Identifizierung
 jederzeit stattfinden kann. Dies geschah beispielsweise bei einer 
FFF-Demo, fast ein Jahr nach der Besetzung der Guntramstraße 44. 
Möglicherweise werden Hausdurchsuchungen gegen bestimmte Personen 
eingeleitet. In diesem Fall ist es wichtig, sein Zuhause vorher 
aufzuräumen. Checkt mal Security Culture aus z.B. auf https://ignite.blackblogs.org/security-culture-handout/. Meldet euch bei der EA Freiburg- und der Roten Hilfe Sprechstunde, solltet ihr von einem dieser Dinge betroffen sein.
Lasst uns gemeinsam der Repression entgegen treten. Wir wollen als 
Anti-Rep-Gruppe Squat Freiburg die Betroffenen der Prozesse wegen 
Häuserkämpfen unterstützen, vernetzen und Infos spreaden. Also schreibt 
uns eine, am besten verschlüsselte Email, wenn auch ihr von Repression 
betroffen seid an squatfreiburg[ät]ungehorsam[Punkt]ch, PGP Key hier 
(4). Oder ihr kommt zur -Häuserkampf Sprechstunde- am zweiten Mittwoch 
im Monat um 19:00 in die KTS (5). Denn Vereinzelung ist das Ziel der 
Repression und dem müssen wir uns klar entgegenstellen.
Repression gegen Hausbesetzungen in Freiburg, der aktuelle Stand
Derzeit dürften insgesamt über 50 Verfahren wegen Hausbesetzungen in den
 letzten zwei Jahren laufen. Darüber hinaus jede Menge Verfahren gegen 
Unbekannt auf Grund der unzähligen Kleingruppenaktionen rund um 
Häuserkämpfe. Die ersten Prozesse wegen der Besetzung der Guntramstraße 
44 im Dezember 2018, bei der acht Personen festgenommen worden waren, 
waren bereits angesetzt. Der erste Prozess fand unter Ausschluss der 
Öffentlichkeit statt und endete mit einer Verurteilung zu Sozialstunden 
vor dem Jugendgericht. Der zweite Prozess endete mit einer Strafe von 60
 Tagessätzen. Bei den Prozessen kündigte ein Staatsanwalt namens 
Graulich an, auch in Zukunft alle Prozesse zu Hausbesetzungen zu führen 
(derzeit landen alle Verfahren zu den Hausbesetzungen in Karlsruhe bei 
der politischen Staatsanwaltschaft). Der Staat bereitet sich also 
sichtlich auf die vielen kommenden Prozesse vor. Im Januar waren zwei 
weitere Prozesstermine angesetzt. Allerdings zog der Hauseigentümer den 
Strafant
 rag zurück, sodass die Prozesse kurzfristig abgesagt wurden. Derzeit 
sind drei weitere Strafbefehle im Zuge der Hausbesetzungen bekannt, 
ansonsten gab es bislang vor allem Vorladungen der Polizei. Nur um es 
nochmal erwähnt zu haben, natürlich solltet ihr da nicht hingehen. Mit 
der Polizei zu reden bringt immer nur Nachteile und ihr gefährdet nur 
Euch und eure Mitstreiter_innen.
Wie Polizei und Staatsanwaltschaft gegen die Kleingruppenaktionen 
vorgehen werden, ist unklar. Aber ein Blick nach Tübingen gibt einen 
Vorgeschmack. Dort gab es eine großangelegte Razzia des Hausprojekts 
Lu15 und einer Privatwohnung, nachdem zwei Personen, angeblich mit einem
 Farbfeuerlöscher, vor dem Landgericht festgenommen wurden. Die 
Hausdurchsuchungen fanden direkt am nächsten Tag mit großem 
Polizeigroßaufgebot statt. Nun versucht die Polizei den beiden unzählige
 Aktionen der letzten Zeit anzuhängen. Heißt, dass auch wenn bislang die
 Polizei nicht wirklich Erfolge vermelden konnte und hoffentlich keine 
brauchbaren Spuren gefunden hat, suchen sie sich gerne einen Sündenbock.
 Also aufräumen, sich mit euren Freund*innen über Sicherheitskultur 
austauschen und sich nicht erwischen lassen!
Solidarische Perspektiven entwickeln, der Repression entgegen treten
Wie können wir nun also weiter machen? Nun zum einen ist es sicherlich 
wichtig die Strategie der Polizei und weiterer Repressionorgane zu 
analysieren und daraus zu lernen. Dazu soll dieser Text ein Beitrag und 
Anstoß sein. Zum anderen wollen wir der kommenden Repression nicht nur 
mit ein bisschen Geld sammeln begegnen, obwohl dies bereits gemacht wird
 um anstehenden Repressionskosten solidarisch begegnen zu können (6). 
Wir wollen aber auch unsere Wut über ihre Repression, unsere Liebe für 
unseren Widerstand und Zusammenhalt und unsere Solidarität äußern. Dass 
wir am Ende gestärkt aus ihrem Angriff hervorgehen und die Ordnung der 
heuchlerischen Green City Freiburg auch weiter kräftig durcheinander 
bringen!
Anti-Rep Squat Freiburg
13.02.2020
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(1) siehe dazu auch https://diewg.noblogs.org/dokumentation/
(2) https://diewg.noblogs.org/files/2019/10/tunnelnetz.jpeg
(3) https://abcrhineland.blackblogs.org/kontakt-contact/
(4) PGP Key online hier https://diewg.noblogs.org/kontakt/ oder auf https://keys.immerda.ch
(5) KTS, autonomes Zentrum in der Baslerstraße 105 in Freiburg im Breisgau
(6) https://diewg.noblogs.org/post/2019/12/18/spendenaufruf-2/
Links:
diewg.noblogs.org
								
