John Bowden: Über die Bedingungen in den Jugendknästen

Ein Text aus England von John Bowden, ein Langzeitgefangener und Kämpfer gegen das Knastsystem, welcher sich mit der Problematik der Jugendknäste und den dort stattfindenden Missbräuchen auseinandersetzt.

Anmerkung: Im Text ist von sogenannten „Secure Training Centern“ (STC), die Rede, was auf deutsch nicht sinnvoll übersetzt werden kann, weshalb wir den englischen Begriff verwenden. STCs sind private Knäste für jugendliche Kriminelle bis 17 Jahren, in denen die Inhaftierten von „der schiefen Bahn“ gebracht werden sollen. Also ein Knast in dem die Gefangenen durch private Sicherheitsdienstleister „gezüchtigt“ werden. In England existieren vier dieser STCs.

Über die Bedingungen in den Jugendknästen

Im Jahr 2004 starb der 14-jährige Gareth Myatt, als er durch drei BeamtInnen eines privatisierten Jugendknastes, dem in Warwickshire gelegenen „Rainsbrook Secure Training Center“, „in die Schranken gewiesen“ wurde. Im selben Jahr erhängte sich der 14-jährige Adam Rickwood in einem anderen privatisierten Jugendknast, dem „Hassockfield Secure Training Center“ in Durham. Später beschloss ein Gericht, dass die SchließerInnen, die Adam kurz vor seinem Tod „in die Schranken gewiesen“ hatten, illegale Gewalt gegenüber ihn ausgeübt haben. Sechs Jahre später und in Folge einer Kampagne der Angehörigen der eingeknasteten Jugendlichen und Gruppen wie „Children’s Right Alliance for England“ (CRAE), wurde durch den „Freedom Information Act“ ein schockierendes Regierungsdokument veröffentlicht, dass die angewandten Kontrollmethoden, welche die gefangenen Jugendlichen erfahren mussten, dokumentiert. Diese wurden zum Teil gegen 12-jährige angewandt.

Das 2005 vom „Prison Service“ veröffentlichte und als Regierungsdokument eingeschränkte Handbuch, gibt dem Personal der STCs die Erlaubnis physischen Schmerz auf Jugendliche auszuüben, und zwar durch sogenannte „Bändigungs-und Selbstverteidigungsmethoden“. Die Methoden der physischen Gewalt, die innerhalb dieses Handbuches beschrieben werden sind auf legaler Ebene soweit fraglich, dass die Regierung bereit war vor Gericht zu gehen, um gegen die Enthüllung dieses Dokument zu kämpfen, trotz der Entscheidung des Informationsbeauftragten, welcher sagte, dass das Dokument öffentlich gemacht werden müsse. Im Vorfeld haben RegierungsbeamtInnen sich verweigert eine Kopie an das Menschenrechtskomitee des Parlamentes abzugeben. Schließlich wurde der Justizminister gezwungen aufzugeben und das Dokument wurde publik gemacht. Gegenüber der Öffentlichkeit verursachte der Inhalt Schamgefühle beim Justizminister, den die enthaltenen Informationen sprechen für sich selbst.

Einige der „Bändigungs“-methoden, die gegen inhaftierte Jugendliche angewendet werden und durch den Justizminister – der gerade dem liberal-orientierten Ken Clark unterstellt ist – verabschiedet wurden, sind „mit den Knöchel in die Rippen schlagen“ oder „mit den Schuhen unter das Schienbein harken“. Dem Personal wird auch folgendes erlaubt: „Ausgestreckte Finger über das Gesicht des Jugendlichen ziehen und dann die gleichen gegen die Leistengegend des Jugendlichen zu richten.“ „Anwendung einer umgedrehten Faust auf das Brustbein des Inhaftierten/der Inhaftierten, welche auf- und abwärts zu bewegen ist.“ „Kontinuierlich abwechselnde Ellbogenschläge gegen die Rippen des Jugendlichen bis eine Entspannung erreicht ist.“ „Die Methoden für die Nasendistraktion“ – scharfe Stöße gegen die Nase des Jugendlichen – wurden schon durch das Berufungsgericht als routinemäßig ausgeführte Variante, als illegal verurteilt und soll mindestens in einem der STCs gegen die Jugendlichen stattgefunden haben. Der Widerspruch, der sich durch solch brutale Methoden der Kontrolle und Bestrafung, welche in den Institutionen angewendet werden, herauskristallisiert, da diese durch private Firmen verwaltet werden um Profite zu erlangen, verursacht eine klare moralische Frage und ein Problem.

Anleitungen, die dem Personal in den STCs vorgestellt werden, geben ein kalkuliertes Verständnis darüber ab, dass einige dieser „Kontrolltechniken“ ernsthafte Verletzungen und eventuell Tod bei den Jugendlichen zur Folge haben könnten; die Methoden könnten Schädelfrakturen und temporäre oder permanente Erblindung, verursacht durch einen Bruch des Augapfels oder Netzhautablösung herbei führen“. Auch gibt es eine Bestätigung, dass einige Methoden Erstickungstod verursachen könnten. Dem Personal wird gesagt, dass es zu einem medizinischen Notfall kommen könnte, wenn sie die Methode des Schwitzkastens anwenden und die Atmung dadurch beeinträchtigt wird.

Carolyne Willow, die Koordinatorin auf nationaler des CRAE sagte: „Das Handbuch ist tief erschütternd und steht als eine staatliche Legitimation des institutionalisierten Missbrauchs an den Jugendlichen da. Was hat die ehemaligen MinisterInnen überzeugt, dass die Jugendlichen, die zum Teil 12 Jahre alt sind, so oft und soweit außer Kontrolle geraten könnten, dass das Personal belehrt werden sollte wie sie ihre Fingerknöchel gegen deren Brustkörben stoßen? Würden wir es erlauben, dass LehrerInnen usw. trainiert werden, Jugendlichen freiwillig Schmerz zu zufügen und sie zu erniedrigen?“

Bilder des Abu Graib-Knastes im Irak kommen einem in dem Sinn, durch jene Anweisungen, die beschreiben, wie mensch schwierige Jugendliche zwingt „auf die Knie zu sinken, während eine zweite Person des Personals die Kontrolle über den Kopf übernimmt, indem sie den hinteren Teil des Halses an sich reißt und das Kinn runter zieht“. Während einer/eine sich in solch einer Position befindet, werden ihm/ihr Fesseln angelegt. Frau Willow beschreibt solche Techniken als „die rituelle Erniedrigung der Jugendlichen und klare Misshandlung der Menschenrechte“.

Philip Noyes, Direktor der Strategie-und Entwicklungsabteilung der Nationalen Gesellschaft für die Prävention des Missbrauchs an Jugendlichen, sagte: „Solche schockierenden Enthüllungen zeigen bildlich die Art und Weise der grausamen und erniedrigenden Gewalt, welche oft an den gefangenen Jugendlichen angewendet wird. Manchmal haben solche Züchtigungsmethoden zu Nasen-, Arm-, Handgelenk- und Fingerbrüchen bei den Jugendlichen geführt. Schmerzhaftes „in die Schranken weisen“ ist eine klare Verletzung der Menschenrechte der Jugendlichen, an einigen der am meist Verletzbarsten, und das hat keinen Platz in einer anständigen Gesellschaft“.

Während den 12 Monaten bis März 2009 wurden diese „Züchtigungen“ 1.776 Male innerhalb der vier STCs in Großbritannien angewendet.

Am 21. Juli 2010 sagte Lord McNally im britischen Oberhaus, als Antwort auf die Fragen die zu den Kontrollmethoden, die im Handbuch beschrieben werden, gestellt wurden, folgendes aus: „Wir benutzen das Wort „Jugendliche“ auf eine ziemlich zufällige Art und Weise um oft sehr umfangreich recht gewalttätige jüngere Menschen zu beschreiben, die in diesen Zentren eingesperrt sind,“ und „wir haben auch die Pflicht auf das Personal zu achten, das sich mit diesen oft sehr gewalttätigen jüngeren Menschen auseinandersetzen muss”. Oft verhaltensgestörte und widerspenstige Jugendliche, wovon einige sogar 12 Jahre alt sind, werden in Lord McNallys Kopf zu physisch gewalttätigen jüngeren Erwachsenen umgewandelt, als er versucht zu verteidigen, was Frau Swaine, die Direktorin des CRAE, als eine „Anleitung, die innerhalb eines für das Personal verabschiedeten Handbuches, bereitgestellt wird, um Menschenrechte zu verletzen und zwar weil es dem Personal mit vollem Bewusstsein erlaubt, Jugendliche zu verletzen, außerhalb Situationen einer lebensgefährdenden Notwendigkeit“ beschreibt.

Was dieses Handbuch eigentlich enthüllt, ist die Haltung und Einstellung, welche glaubt, dass Jugendliche, die schon beschädigt und brutalisiert worden sind, zur Konformität gebracht werden können, indem gegen sie mehr Brutalität und Grausamkeit angewendet wird. In der Realität schaffen solche Behandlungen noch tiefer gestörte junge Menschen, die von der Gesellschaft ernsthaft entfremdet sind und ihr gegenüber aktiv feindselig gegenüber treten. Was innerhalb dieser STCs erzeugt wird sind tickende Zeitbomben, die danach in eine breitere Gemeinschaft geliefert werden. Eine disproportionierte Nummer von ernsthaften GewalttäterInnen und Langzeitgefangenen ist das Produkt einer Kindheit/Jugend, die in Heimen und Jugendknästen verbracht wurde, wo Missbrauch und Gewalt ein alltäglicher Teil ihrer Behandlung darstellte. Wenn die Lehre, die den eingesperrten Jugendlichen beigebracht wird, ist, dass Macht durch die Macht des Verletzens und der Kontrolle repräsentiert wird, dann werden sie eine solche Lehre irgendwann eventuell gelernt haben und in ihrem eigenen Leben praktizieren. Was hinter den Mauern der Jugendknästen gesät wird, wird letztendlich durch die breitere Gemeinschaft geerntet. Die Kampagne gegen den Missbrauch der eingesperrten Jugendlichen sollte nicht als ein Vorrecht gesehen werden, wie es die „wischi-waschi-Liberalen“ oder die Boulevardzeitungen und diejenigen, die für diesen Missbrauch verantwortlich sind, tun; die breite Gesellschaft sollte realisieren, dass sie ein legitimes Recht darauf hat, die menschliche Degradierung der eingesperrten Jugendlichen zu stoppen.

John Bowden
August 2010
HMP Perth

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