Wie werden wir weitere Morde durch die Polizei verhindern?

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Wir sind an einem Wendepunkt angelangt. Die Morde an George Floyd – und Breonna Taylor, Tony McDade und den anderen Schwarzen, deren Leben in diesem Monat durch die Polizei beendet wurden – sind nur die jüngsten in einer historischen Reihe von Tragödien. Doch im Kontext mit der COVID-19-Pandemie, in der der Staat Schwarze Gemeinden offen als Überschussbevölkerung behandelt und sie dem Virus ungeschützt ausliefert, überschritt die Arroganz und Sinnlosigkeit des von Officer Derek Chauvin verübten Mordes eine Grenze. Unterstützt von Hunderttausenden in den USA (und darüber hinaus) haben die Menschen in Minneapolis deutlich gemacht, dass diese unerträgliche Situation ein Ende haben muss, koste es, was es wolle.

Seit dem Aufstand in Ferguson 2014 haben rassistische Morde durch die Polizei in den Vereinigten Staaten große Aufmerksamkeit erregt. Reformer*innen aller Couleur haben in der Hoffnung, die Gewalt einzudämmen, neue Richtlinien eingeführt. Doch laut der Police Shootings Database tötete die Polizei in den USA im vergangenen Jahr mehr Menschen als im Jahr 2015. Wenn die Morde durch die Polizei trotz der breiten öffentlichen Aufmerksamkeit und der Reformbemühungen weitergehen oder sogar zunehmen, müssen wir unsere Strategie überdenken.

Wie können wir den rassistischen Morden durch die Polizei ein für allemal ein Ende setzen?

Je schwächer ihre Ordnung ist, desto mächtiger versuchen sie zu wirken.

Straf- und Zivilklagen

Es ist weithin bekannt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Cops oder Dienststellen echte Konsequenzen für die Tötung von Menschen, insbesondere von Schwarzen, tragen müssen gegen Null tendiert. Es ist durchaus logisch, dass Demonstrant*innen und trauernde Familien oft Strafverfolgung gegen mörderische Polizisten verlangen – das US-Strafrechtssystem bietet kein anderes Modell für »Gerechtigkeit«, und durch die Weigerung, Anzeigen gegen ihre Leute zu verfolgen, zeigen die Behörden, wie wenig sie das Leben von Schwarzen schätzen. Durch das Einsperren gewöhnlicher Menschen werden jedoch keine antisozialen Aktivitäten verhindert – und wenn mensch bedenkt, dass Polizeigewalt durch Ausnahmegesetze und mächtige Institutionen legitimiert ist, scheint diese Abschreckung für die Polizei noch weniger wirksam zu sein. Johannes Mehserle, der Cop, der 2008 Oscar Grant in Oakland ermordet hat, war einer der wenigen Polizisten, die eine Haftstrafe verbüßt haben; doch die Ermordung von Joshua Pawlik im Jahr 2018 und viele andere Morde durch die Polizei in der Region deuten darauf hin, dass dieser Präzedenzfall die Polizei in der Bay Area nicht davon abgehalten hat, Menschen zu erschießen.

Auch Zivilklagen scheinen keinen Unterschied zu machen. Die Familie von Justine Damond erhielt nach ihrer Ermordung durch die Polizei von Minneapolis eine Abfindung in Höhe von 20 Millionen Dollar – ein äußerst seltener Fall, der wahrscheinlich mit dem ungewöhnlichen Umstand zusammenhängt, dass ein schwarzer männlicher Cop eine weiße Frau tötete. Aber die Steuerzahler*innen der Stadt – von denen einige täglich unter Polizeigewalt leiden – dazu zu zwingen, Millionen für ihre mörderischen Aktivitäten auszugeben wird nicht dazu führen, dass Morde durch die Polizei aufhören.

Wenn es so wäre, wäre George Floyd noch am Leben.

Zivile Untersuchungsausschüsse und Maßnahmen zur Rechenschaftspflicht der Polizei

Minneapolis hat bereits einen zivilen Untersuchungsausschuss, dies hielt Chauvin jedoch nicht davon ab George Floyd zu töten. Tatsächlich hatte es der Untersuchungsausschuss versäumt, Konsequenzen aus auch nur einer der achtzehn früheren Beschwerden gegen Chauvin zu ziehen. Auch die Morde an Justine Damond, Jamar Clark oder anderen Personen, die von der Polizei der Stadt getötet wurden, wurden dadurch nicht verhindert.

Polizeikommissare selbst fordern jetzt Aufsicht und Rechenschaftspflicht, wahrscheinlich in der Hoffnung, weitere Ausschreitungen zu verhindern. Dies zeigt, wie wenig bedrohlich solche Maßnahmen für ihre Macht sind.

Die Polizei von St. Louis führt nach dem Aufstand in Ferguson bei einer Sitzung des Stadtrates 2015 eine konstruktive Diskussion über zivile Untersuchungsausschüsse.

Body Cams und Filmen der Polizei

Die meisten Morde der Polizei der letzten Jahre wurden von Polizist*innen mit Body Cams durchgeführt. Das hat sie nicht davon abgehalten, zu töten – und es hat fast nie zu strafrechtlichen Verurteilungen geführt. Im Gegenteil: Eine unabhängige Studie der Temple University aus dem Jahr 2016 kam zu dem Schluss, dass die Verwendung von Body Cams mit einer Zunahme der tödlichen Schießereien durch die Polizei korreliert – überproportional viele Männer, Jugendliche und PoC sind dadurch bedroht. Andere Forschungen, die die Vorteile der Technologie angepriesen haben, wie die Studie der Universität von Nevada Las Vegas 2017, wurden zum Teil von Polizeidienststellen durchgeführt, die bei Beschwerden Geld sparen wollten.

Obwohl es die Zahl der Morde nicht zu reduzieren scheint, bringen die Aufnahmen von Body Cams den Rest von uns in Gefahr, da Staatsanwälte, die mit der Polizei sympathisieren, die Rosinen herauspicken können, um sie als Beweise gegen uns zu verwenden, wenn Beamte uns angreifen.

Wir brauchen keine gründlicheren Informationen darüber, was die Polizei tut. Wir müssen sie davon abhalten, das zu tun, was sie tun. Wir brauchen keine Transparenz oder Rechenschaftspflicht. Wir wollen eine Welt ohne Polizei.

»Überall Kameras, nirgendwo Sicherheit; Warum Polizeikameras uns nicht sicherer machen«

Ziviles Filmen reicht ebenfalls nicht aus. Derek Chauvin wusste, dass er gefilmt wurde, dennoch ermordete er ohne zu zögern George Floyd. Die Offiziere, die Philando Castile, Eric Garner und zahllose andere Menschen ermordeten, wurden von den auf sie gerichteten Kameras nicht aufgehalten. Selbst wenn »die ganze Welt zuschaut«, wird mehr Überwachung uns nicht sicherer machen, solange Killer-Cops ungestraft handeln können.

Body Cams bereichern nur die Überwachungsfirmen und liefern den Staatsanwält*innen mehr Material, das sie gegen uns verwenden können.

Druck auf Politiker*innen ausüben

Vielleicht sollten wir unsere Wut eher auf Politiker*innen als auf die Polizei richten, wie der Bürgermeister von New York City, Bill de Blasio, vorschlägt?

Selbstverständlich machen sich Politiker*innen wegen ihrer feigen Unterstützung der Polizei zu Kompliz*innen. Aber sie sind nicht diejenigen, die uns tagtäglich belästigen und schikanieren, die in unsere Privatsphäre eindringen und uns ausspionieren, die physisch zwischen uns und den von uns benötigten Ressourcen stehen, die uns schlagen und erschießen. Tatsächlich ist die Macht der Politiker*innen im Gegensatz zur Polizei mit ihren Gewehren, ihrem Tränengas und ihren Panzern eine Illusion; sie existiert nur aufgrund der Art und Weise, wie wir unsere Entscheidungsgewalt an sie abtreten. Ohne die Polizei, die ihre Privilegien schützt und ihre Befehle durchsetzt, würden Politiker*innen überhaupt keine Rolle spielen. Ohne das Militär, Homeland Security, den Geheimdienst und die bewaffneten Bürgerwehrler, die dafür sorgen, dass wir seinen Befehlen Folge leisten, wäre Trump nichts weiter als ein besonders unausstehlicher Rüpel. Solange die Polizei alles reguliert, was wir tun können, wird es wenig Wirkung haben, unseren Zorn gegen Politiker*innen zu richten.

In einer Zeit zunehmender sozialer Spannungen und Unsicherheiten, in der Machtstrukturen zunehmend auf rohe Gewalt statt auf die Zustimmung der Bevölkerung setzen, fürchten Politiker*innen aller Couleur besonders, die Loyalität des bewaffneten Flügels des Staates zu verlieren. Wenn sie den Polizeibeamten keine Straffreiheit garantieren, riskieren sie, ihre eigene Macht zu untergraben; im Extremfall könnten sie sogar abgesetzt werden, wie wir bei Staatsstreichen von Chile bis Ägypten gesehen haben. Warum hat ein Schwarzer Präsident, dem viele das Zeugnis des »sozial gerechten« ausstellten, tatenlos zugesehen, wie die Mörder von Michael Brown, Freddie Gray, Eric Garner und so vielen anderen davonkamen? Vielleicht, weil es für Barack Obama wichtiger war, die Stabilität seines Regimes zu schützen, als Gerechtigkeit für rassistische Morde zu fordern. Das macht es noch unwahrscheinlicher, dass Appelle an Politiker*innen etwas bewirken.

Wählen

Sollten wir uns zur Wahl anmelden und uns an der Wahlurne Gehör verschaffen, wie die Bürgermeisterin von Atlanta, Keisha Bottoms, insistiert?

Auch hier deutet das, was in Minneapolis passiert ist, darauf hin, dass dies nicht funktioniert. Wenn eine Stadt mit einem fortschrittlichen Bürgermeister und einem Stadtrat, der ausschließlich aus Mitgliedern der Demokraten und Grünen besteht, immer noch nicht verhindern kann, dass rassistische Polizisten, die außer Kontrolle geraten sind, immer und immer wieder Menschen töten, gibt es keinen Grund zu glauben, dass eine andere Stimmabgabe bei diesen Wahlen einen Unterschied gemacht hätte. Rassistisch motivierte Polizeigewalt steht nur deshalb auf der nationalen Agenda, weil sie durch den mutigen, aufsässigen Widerstand der Menschen auf den Straßen auf die Tagesordnung gekommen ist. Mord durch die Polizei stand noch nie auf dem Wahlzettel – um dafür oder dagegen zu stimmen. Ihre Gewalt ist der Klebstoff, der ein System zusammenhält, das wir nie gewählt haben. Es werden auch nicht Wahlstimmen sein, die es abschaffen. Es wird durch Taten geschehen.

Friedlicher Protest

Wenn also Direkte Aktionen der einzige Weg sind, um gegen Morde der Polizei vorzugehen, dann ist der effektivste Weg zur Veränderung sicherlich die strikte Gewaltlosigkeit, wie uns die Enkelin von Martin Luther King Jr. erzählen will.

Leider ist das Rhetorik, die nicht der Geschichte entspricht. Tatsächlich schöpfte die Bürgerrechtsbewegung ihre Erfolge aus einer Kombination von militanter Direkter Aktion, bewaffneter Selbstverteidigung, Aufruhr und gewaltlosem zivilen Ungehorsam. Kings Appell als Bürgerrechtsführer – und das Interesse, das Politiker*innen heute daran haben, sein Vermächtnis unter Ausschluss aller anderen zu fördern – ist nicht zuletzt deshalb so groß, weil es eine Alternative zu den drohenden unregierbaren Unruhen in den Städten und der Militanz der Black Power bietet. Die Verurteilung jeder Handlung, die nicht unter das Paradigma der Gewaltlosigkeit fällt, spaltet die Bewegungen, schützt die herrschende Ordnung und verbirgt die historischen Tatsachen gesellschaftlichen Wandels.

Riots

Wenn nicht strikt gewaltfreie Proteste, können Riots dann sicherstellen, dass die Polizei nicht mehr tötet und zur Rechenschaft gezogen wird?

Riots können viele Dinge bewirken, die durch friedliche Proteste selten erreicht werden. Sie erhöhen die wirtschaftlichen und politischen Kosten der Polizeigewalt für die Regime, die sie verüben. Sie können marginalisierte Menschen in die Lage versetzen, ihre Bedürfnisse direkt zu befriedigen. Sie ermöglichen Gruppenaktionen – und geben so den Beteiligten die Möglichkeit ihre Bedürfnisse nach kollektiver Trauer, nach Rache und sogar nach materiellen Gütern zu befriedigen. Sie räumen mit dem Mythos auf, dass die Polizei unverwundbar sei, und zerstören die Illusion eines politischen Konsenses. Sie erweitern den Horizont unserer kollektiven Vorstellung davon, was wir gemeinsam tun können und wie die Welt anders sein könnte.

Aber Riots allein reichen vielleicht nicht aus. Während die massenhaften Unruhen widerstrebende Behörden dazu gezwungen haben, Anklage gegen mordende Cops zu erheben – in Oakland, in Ferguson, in Baltimore und jetzt in Minneapolis – sichern sie oft keine Verurteilung, wie die Gerichtsverfahren in Ferguson und Baltimore deutlich machen. Und selbst wenn sie einige spezifische Polizeieinheitn von weiteren Morden abschrecken könnten, so zeigt doch die beständige Rate der Morde durch die Polizei in den letzten fünf Jahren, dass sie das Gesamtproblem noch nicht gelöst haben. Die Flammen von Ferguson waren gerade erloschen, als die Polizei von St. Louis Isaac Holmes trotz der Gefahr weiterer Unruhen erschoss.

Wenn wir ganze Stadtviertel niederbrennen müssen, nur damit ein einziger Beamter angeklagt wird, ist das kein tragfähiges Programm, um die US-Justizindustrie zur Rechenschaft zu ziehen. Der Mut und die Entschlossenheit der Rebell*innen in Minneapolis und im ganzen Land ist ein inspirierender Schritt nach vorn. Aber wir sollten sie nicht als ein Mittel zur Reform verstehen – wir sollten sie als einen Schritt in Richtung Revolution ansehen.

Was tun wir also?

Wenn keine der »Lösungen«, die Regierungen, Polizeidienststellen und einige Aktivist*innen vorgeschlagen haben, ausreichen wird, was könnte den rassistischen Morden durch die Polizei ein für alle Mal ein Ende setzen? Es ist nicht leicht, diese Frage zu beantworten, aber wir müssen sie uns ernsthaft stellen.

Die Annahme, dass das Leben der Schwarzen und Braunen entbehrlich ist, ist grundlegend für alle institutionalisierten Machtstrukturen unserer Zeit. Wir werden die Frage beantworten, was es in der Praxis bedeutet rassistische Polizeigewalt zu stoppen, in einem lebenslangen experimentellen Prozess – aber es ist eindeutig, dass dies die Abschaffung oder völlige Umgestaltung all dieser Strukturen erfordert. Ausgehend von dem Modell des kollektiven Widerstandes, das wir in der vergangenen Woche gesehen haben, müssen wir extrapolieren, wie ein langfristiger Wandel aussehen kann. Hier sind einige langfristige Ziele – einige Sterne, an denen mensch sich orientieren kann.

Entwaffnung und Abschaffung der Polizei.

Solange die Polizei Waffen und Straffreiheit hat, wird sie uns weiterhin töten. All unsere Bemühungen haben ihre Straffreiheit nur minimal eingedämmt; es ist an der Zeit, diesen Weg konsequent zu Ende zu gehen. Nur wenn die Autobahnpatrouille unser Leben während einer routinemäßigen Verkehrskontrolle nicht mehr beenden kann, wird der Terror, den so viele von uns jedes Mal empfinden, wenn wir Blaulicht blinken sehen, nachlassen. Nur wenn keine Gruppe uniformierter Schläger sich berechtigt fühlt, jemanden zu Boden zu drücken und seine Bitten zu ignorieren, werden wir alle von der Bedrohung befreit sein, der nächste George Floyd zu werden.

Wenn die Polizei erst einmal entwaffnet ist, wird jede*m klar werden, wie nutzlos sie in den Bereichen ist, in denen wir glauben, das wir sie bräuchten. Wenn psychisch kranke Menschen auf eine Weise handeln, die anderen unberechenbar erscheint, brauchen wir Berater und Fürsprecherinnen, keine bewaffneten Schützen. Wenn Partner und Nachbarinnen Konflikte haben, brauchen wir Menschen mit Konfliktlösungs- und Deeskalationsfähigkeiten, keine gewalttätigen Eskalatoren, die eine patriarchale Agenda durchsetzen. Wenn Kinder Verkehrsschulungen brauchen, damit sie die Straße überqueren können, brauchen wir freundliche Ältere und Nachbarn, die sie kennen, und keine Leute, die tödliche Waffen mit sich führen und wenig Erfahrung in der Arbeit mit Kindern haben. Wenn wir Dinge verlieren oder finden, brauchen wir ein Gemeindezentrum, um sie auszutauschen, und kein Polizeirevier. Wenn unsere Autos am Straßenrand liegen bleiben, brauchen wir eine Gemeinschaft von guten Samaritern, nicht einen Söldner, der uns einen Strafzettel schreiben will. Der größte Teil dessen, was die Polizei tut, ist schädlich und sollte sofort beseitigt werden, um uns alle sicherer zu machen; ein Großteil des Rests könnte von qualifizierten, unbewaffneten Freiwilligen guten Willens viel besser erledigt werden.

Als Institution ist die Polizeiarbeit selbst durch und durch gewalttätig und repressiv. Die Tausenden von Morden, die einzelne Beamte begehen, sind nur die Spitze des Eisbergs. Wie können wir die tägliche Angst, den akuten Terror, die kleinlichen Demütigungen, die Auswirkungen der Entführung und Erschütterung von Familienmitgliedern messen, die so viele Menschen jedes Mal erleben, wenn sie sich mit wütender Arroganz, die hinter einer Dienstmarke grinst, auseinandersetzen müssen? Von ihrem Ursprung in Sklavenpatrouillen bis hin zu den heutigen High-Tech-Spionage-Drohnen und vorausschauenden Polizeieinsatz-Algorithmen hat die Polizei nie existiert, um uns zu schützen.

Es ist keine Frage von faulen Eiern. Die ganze Packung ist verrottet.

Nichts der Institution der Polizei kann gerettet werden.

Fördern wir kollektive Selbstverteidigung.

Der Demospruch »Who keeps us safe? We keep us safe!« ist mehr als ein Slogan – er beschreibt eine Notwendigkeit. Es gibt keine Sicherheit, auf die wir uns verlassen können, die nicht auf unserem Vertrauen und unseren Beziehungen untereinander aufbaut. Um uns unserer Sicherheit gewiss zu sein, müssen wir in der Lage sein, selbst zu definieren, welchen Risiken wir ausgesetzt sind und wie wir ihnen gemeinsam begegnen können.

Kritiker*innen argumentieren, es sei naiv, über die Entwaffnung und Abschaffung der Polizei zu sprechen, und führen die Aggression und das Chaos an, die angeblich ausbrechen werden, wenn wir nicht mehr durch die dünne blauen Schnur in Schach gehalten werden. Aber wirklich naiv ist es, weiterhin zu glauben, dass eine Institution, die jedes Jahr für den Tod von tausend Menschen verantwortlich ist, uns irgendwie in Sicherheit bringt.

Kollektive Selbstverteidigung wird nicht leicht sein, aber sie ist unsere einzige Hoffnung. Es wird bedeuten, dass wir uns organisieren müssen, um rechte Gewalt zu verhindern. Die Gewalt derjenigen, die von Trump dazu ermutigt wurden, Plündernde zu erschießen und von den Regierungen der Bundesstaaten dazu ermutigt wurden, Demonstrant*innen zu überfahren. Es wird bedeuten, Verantwortung für die Entwicklung neuer Fähigkeiten zur Konfliktlösung und neuer Strukturen für eine schnelle Reaktion in Krisenzeiten zu übernehmen. Die Hinweise darauf, dass Banden aus Minneapolis einen Waffenstillstand organisieren, um gemeinsam die Demonstrant*innen vor rechter Gewalt zu schützen, sind ermutigend. Wir werden all unseren Mut und unsere Kreativität brauchen, um neue Ansätze zu entwickeln, die uns alle wertschätzen und schützen, anstatt Millionen von uns in Knäste zu sperren oder zu töten – um die Sicherheit und das Eigentum einiger weniger zu sichern.

Ressourcen durch gegenseitige Hilfe teilen.

Willst du Plünderungen verhindern? Stell sicher, dass jeder eine Wohnung, genügend zu essen und genügend Ressourcen für ein menschenwürdiges Leben hat. Wenn sie das nicht haben, wer kann es ihnen verübeln, dass sie ihre Wut gegen diejenigen, die zwischen ihnen und den benötigten Ressourcen stehen, auslassen?

In Minneapolis richten lokale Gemeinden Versorgungsdepots ein, in denen die während der Unruhen umverteilten Ressourcen frei verteilt werden, sowohl um die Proteste zu unterstützen als auch die Nachbar*innen materiell beim Überleben zu unterstützen. Die COVID-19-Krise hat Netzwerke gegenseitiger Hilfe populär gemacht; die Unruhen bringen sie auf die nächste Stufe. Die Polizei sorgt dafür, dass die Ressourcen nicht nach Bedarf verteilt werden, sondern nach einem archaischen System von Eigentumsrechten, das denen zugute kommt, die sie für sich selbst horten, anstatt sie zu teilen. Die Demonstrant*innen haben dieses Prinzip auf den Kopf gestellt. Im Gegensatz zur Behauptung einiger Kritiker*innen, dass die Menschen durch das Plündern eines Supermarktes ihre »eigene Gemeinschaft« zerstören würden, ist es zutreffender zu sagen, dass sie eine Institution, die existierte, um Gewinne aus ihrer Nachbarschaft an externe Investoren abzuschöpfen, in ein Projekt verwandelt haben, das tatsächlich ihren unmittelbaren materiellen Bedürfnissen dient. Die Barrieren zu zerstören, die unsere Gemeinden von den Ressourcen trennen, die wir brauchen, ist eine der wichtigsten Dinge, die wir tun können, um unsere Gesellschaft zu verändern. Die Abschaffung der Polizei ist ein Schritt, um dies zu erreichen und gleichzeitig die von ihr verübten Morde zu beenden.

Delegitimieren und entmachten wir alle Institutionen, die Morde durch die Polizei entschuldigen.

Einer der Gründe, warum Polizisten so oft mit Mord davonkommen, liegt darin, dass der Oberste Gerichtshof Gesetze so ausgelegt hat, dass der Polizei »qualifizierte Immunität« für die Tötung von Menschen gewährt wird – was in über der Hälfte der Fälle geschehen ist, die in den letzten fünf Jahren vor Gerichten verhandelt wurden. Warum sollten ein reueloser Vergewaltiger und seine Kumpane in der Lage sein, die Polizei zu ermächtigen, uns zu töten, wann immer sie es für richtig halten? Und warum sollten sie in der Lage sein, zu entscheiden, ob wir Schwangerschaftsabbürche vornehmen können, wie wir Gewerkschaften organisieren können oder wie die Grenzen der indigenen Souveränität festgelegt werden oder überhaupt irgendetwas entscheiden?

Das Fortbestehen von Morden durch die Polizei ist nur eines der Risiken, die wir eingehen, wenn wir unsere Macht an neun schwarz gekleidete Personen abgeben. Um unsere Freiheit zu sichern, müssen wir unsere Selbstbestimmung aus den Fängen der Gerichte zurückholen.

»Je mehr wir die Autorität der Obersten Gerichte zur Gestaltung unseres Lebens delegitimieren können und je mächtiger und kreativer wir unsere Alternativen gestalten können, desto weniger werden wir uns vor den Trumps und Kavanaughs der Welt fürchten müssen. Lasst uns eine Gesellschaft aufbauen, die es jedem ermöglicht, sich an echter Selbstbestimmung zu beteiligen – in der kein Mensch entscheiden kann, was wir alle mit unserem Körper tun dürfen – in der kein Staat uns die Macht nehmen kann, unsere Zukunft zu gestalten.«

Wo wir schon dabei sind, was ist mit diesen Politiker*innen? Wenn die Wahl neuer Beamter die Polizei nicht davon abhalten kann, uns zu töten, wozu sind sie dann gut? Wenn wir unsere Zukunft wirklich gegen die Willkür der Behörden absichern wollen, dürfen wir keine halben Sachen machen. Wenn wir uns in unseren Vierteln organisieren, um Ressourcen zu teilen und zu verteilen, sollten wir den Grundstein für eine neue Form der politischen Organisation an der Basis legen, die die Macht direkt ausüben kann, ohne dass Vertreter*innen gebraucht werden. Inspiriert durch das Rätesystem in den kurdischen Gebieten von Rojava, die Versammlungen der griechischen anarchistischen Bewegung, die Studentenstreiks in Montréal und viele andere Beispiele, können wir eine neue Welt von unten nach oben aufbauen, ohne dass Politiker*innen an der Spitze uns herumkommandieren.

Polizeigewalt ein für alle Mal beenden

Was braucht es also, damit wir Polizeigewalt ein für alle Mal beenden? Nichts Geringeres als eine Revolution.

Aber diese Revolution ist keine ferne Utopie oder ein einziger Krampf, in dem wir den Winterpalast stürmen. Sie ist ein fortwährender Prozess des Aufbaus von Beziehungen, der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen, der Selbstverteidigung, des Aufbrechens der ineinander greifenden Strukturen der white supremacy und des Organisierens, um unsere Bedürfnisse ohne Polizei oder Politiker*innen kollektiv zu befriedigen – und das geschieht bereits. Es ist für jede*n von uns an der Zeit, sich für eine Seite zu entscheiden und Stellung zu beziehen. Es steht viel auf dem Spiel – das Leben, das du rettest, könnte dein eigenes sein. Aber wie uns die mutigen Demonstrant*innen in Minneapolis und darüber hinaus gezeigt haben, ist nicht einmal die Macht der Polizei absolut. Gemeinsam können wir ihre Gewalt überwinden und eine neue Welt aufbauen.